wo du bist; bist du, 2004, fer, bronze,, 233 x 40 x 110 cm (4x)
Matjaž Poèivavšek
Eisen und Bronze
Matjaž Poèivavšeks Bildhauerei ist durch zwei Metalle gekennzeichnet: Eisen und Bronze. Aus Bronze entstehen kleinere und raumgreifende Skulpturen, aus Eisen monumentale Blöcke aus rohem, nur auf der ersten Stufe bearbeitetem Werkstoff. Eisen rostet, oxidiert, beginnt an der Luft zu zerfallen. Die Alterung des Materials, die Verrottung, ist am besten an der Oberfläche zu sehen und stellt für den Bildhauer eine besondere Herausforderung dar, da sie der Plastik ermöglicht, sich zu verändern, zu entstehen und zu verfallen, zu leben. In diesem Prozess des Entstehens und Verfallens ist ein symbolischer Konnex mit dem Leben zu erahnen.
Wenn Po èivavšek mit Eisen arbeitet, bearbeitet er gewöhnlich Ingots, von einigen hundert Kilogramm bis zu mehreren Tonnen schwere Blöcke, in deren formale Essenz er fast nicht eingreift, als wollte er damit dem Werkstoff Respekt zollen. Er verändert die Ingots nur wenig, dreht sie in der Achse oder schneidet sie irgendwo ab, um ein subtiles, wegen der braunen Farbe weiches, wie Haut zartes, wie Holz warmes Inkarnat zu erhalten. Ein solcher Monolith wirkt durch die Dynamik seines Gewichts auf unseren Körper, verändert die Gesetze der Schwerkraft im lokalen Raum und ist klassischer als die Relativitätstheorie. Die hohe Dichte des Materials bewirkt eine starke Schwingung des Gravitationsfeldes und krümmt den Raum – allerdings in unregelmäßigen Intervallen, was das Gefühl der Schwankung steigert. Der Raum um eine solche Skulptur ist gekrümmt, und man spürt, dass sich auch die Zeit deformiert.
Von diesen monumentalen Plastiken sind drei zu erwähnen: Licht des Antlitzes (1998, geschmiedetes Eisen, 200 x 70 x 100 cm, Sockel: geschmiedetes Eisen, 120 x 100 x 40 cm, Platz der Republik, Ljubljana, Kunstsammlung Nova Ljubljanska banka), Widerschein (1989, geschmiedetes Eisen, 250 x 620 x 200 cm, Javornik, Ravne na Koro škem ) und In der anderen Hand, im Kreis (2003, geschmiedetes Eisen, 377 x 89 x 55 cm, Kunstsammlung Riko, Ljubljana).
Vergleicht man Po èivavšeks Plastiken mit Arbeiten von Eduardo Chillida Juantegui und Richard Serra (Elliptische Ringe), zeigt sich, dass allen die Neigung zu Monumentalität gemein ist, die dem Eisen so oder so innewohnt. Im Unterschied zu diesen formt Po èivavšek diese großen Massen nicht zu Platten, sondern unterzieht den rohen Eisenblock nur minimalen Eingriffen. Er ist sich bewusst, dass jede radikalere Umformung die Natur des Werkstoffs verändern und ihm jene natürliche Wildheit nehmen würde, die wir bei den Tieren in freier Wildbahn kennen. Der schöpferische Akt ist auf den kurzen Augenblick konzentriert, wenn der Bildhauer den Ingot biegt oder abschneidet und so einschneidend verändert, dass dieser seine Grundform verliert. Serra und Chillida Juantegui machen sich andere Wirkungen des in großen Dimensionen geschmiedeten Eisens zunutze, wenn eine Skulptur eine erkennbare, zum Beispiel geometrische Form hat und so im Betrachter andere assoziative Fähigkeiten erweckt. Chillida Juantegui etwa mithilfe der Stille, die sich um seine Kompositionen vielleicht auch wegen deren scharfer Kanten wie eine Windstille am Atlantik ausbreitet. Die Stille ist eine Folge des starken Gravitationsfeldes, das rund um die Plastik entsteht: Sie saugt alle feinen Unregelmäßigkeiten auf und verwandelt die raue Oberfläche des geschmiedeten Eisens in den glatten Spiegel eines Ozeans.
Po èivavšek überwacht den Ingot vom Beginn des Herstellungsprozesses an. An dem Eisenblock sind alle Details wichtig, auch jene, die von der Bearbeitungsweise herrühren, wenn das Material zusammengepresst wird und so an manchen Stellen schrumpft oder sich ausdehnt. Die Skulpturen haben dann mit den neolithischen Dolmen die schlichten, natürlichen, nur den Gesetzen der Schwerkraft sich unterordnenden Formen gemein. Sie stellen jedoch unter anderem auch wegen der Farbe und der weichen Oberflächenbearbeitung mächtige Assoziationsrequisiten dar. Auf den Betrachter wirken sie durch ihre Form und ihr Gewicht im Kontrast zur glatten Oberfläche und Farbe. Der Einfluss der Gravitation einer solchen Eisenmasse auf unser Bewusstsein ist nicht zu unterschätzen. Diese abstrakten Formen repräsentieren nicht, sondern bringen neue Wahrnehmungsbereiche ans Licht.
Po èivavšeks neuere Arbeiten wecken unser Interesse an der Leere des Raums. Diese großformatigen Plastiken reagieren auf des Betrachters Interesse mit deutlichen Vibrationen des Raums. Obwohl sie im Raum stehen, wirken sie flächig und beanspruchen nur wenig Raum, ihre Bedeutung liegt in ihrer Oberfläche. Diese verwandelt sich, richtig beleuchtet, aus Flecken in einen Wasserspiegel, in einigen Fällen schimmert das Metall. Bronze verleiht der Plastik gedämpfte Monumentalität und unvergängliche Inspiration.
Wenn Po èivavšek mit Bronze arbeitet, wird das Modell aus Wachs hergestellt, das bedeutet, dass jeder Abguss einmalig ist. In dieser Vorgehensweise ist Po èivavšeks bedingungslose Hingabe an die Schaffung neuer Entitäten zu erahnen. Diese entstehen nicht deshalb, um anderen Bedürfnissen zu dienen, sondern nur deshalb, um vorhanden zu sein, weil sie vorher in den Gedanken des Künstlers existieren. Die Zerstörung der Gussform ist auch als Geste bei seiner Arbeit mit Eisen zu verstehen, wo der schöpferische Akt auf den Augenblick reduziert ist, in dem sich das eiserne Halbfabrikat beim Abschneiden oder Biegen in ein amorphes Kunstwerk verwandelt.
Während des Gießens, während der Entstehung der Plastik, verschwindet der Plan für deren Herstellung. Der Bildhauer verwischt so alle Spuren hinter sich, eine Wiederholung ist nicht möglich. Das Erzeugnis ist deshalb einzig, unwiederholbar und wegen des Metalls, aus dem es besteht, beinahe unvergänglich. Es existiert, solang die Welt existiert. Po èivavšek greift auf diese Weise mehr als hundert Jahre zurück auf die heroische vormoderne Zeit, auf die Zeit vor dem Entstehen der elektronischen Reproduktionstechniken, auf das goldene Zeitalter der europäischen Kunst, als die Entwicklung geradlinig zu verlaufen und auf ein Ziel ausgerichtet zu sein schien, als sich die Wiederholung noch nicht als Quintessenz eines Ikons durchgesetzt hatte. Er geht auf die heroische Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts zurück, als die Zeit nicht mehr fern zu sein schien, dass es den Menschen gelingen würde, mithilfe der Wissenschaft ihr Dasein zu erklären; auf die Zeit, als der Mensch noch in Verbundenheit mit der Natur zu leben schien. Auch deshalb sind Po èivavšeks Plastiken klassisch zu bezeichnen, somit nicht wegen ihrer Form, sondern wegen der Art und Weise ihres Vorhandenseins. Darin ist eine Kritik der heutigen Zeit zu erkennen, die seit dem Siegeszug der Elektronik auf Wiederholung, Reproduktion und Klonen basiert.
Geschmiedetes Eisen wirkt mit seinem physischen Gewicht, während Bronze vor allem den dunklen Schimmer der Oberfläche, das Spiel des Lichts, die elektromagnetischen Wellen anstelle der Gravitation nutzt. Bronzeplastiken sind Reliefs oder in den Raum gestellte Kompositionen. Wenn sie im Raum stehen, verzweigen sie sich wie Vektoren, wie ein Plan für den Verlauf unbekannter Kräfte. Die Oberfläche ist kaum erkennbar faltig und wirkt deshalb warm. Die Ebene scheint anders zu sein, wenn auf ihr rundliche Linien auftreten, erwarten wir, dass sie irgendwo endet, aber das Gefühl von Ruhe und offener Monumentalität verebbt nicht.
In den neueren Arbeiten sind Eisen und Bronze in einer neuen Symbiose zu finden. Das Eisen ist nun ein industrielles I-Profil, von dem Po èivavšek einen Teil abschneidet und durch eine bronzene Prothese ersetzt. Eisen wird in vielen Bereichen verwendet, als bildhauerisches Material hat es sich erst im Modernismus durchgesetzt. Es bringt andere Konnotationen zum Ausdruck als beispielsweise die klassischen Werkstoffe Holz, Bronze und Marmor. Gleichzeitig ermöglicht es den Plastikern, auf eine andere Weise zu arbeiten und Formen zu finden, deren Akzente den Hintergrund der klassischen Bildhauerei erkennen lassen, moderne bildnerische Prinzipien oder, um McLuhan zu zitieren: » The medium is the message « . Bronze, eine Legierung aus Kupfer und Zinn, ist dagegen ein klassisches bildhauerisches Material und wird nur für besondere Zwecke wie die Herstellung von Skulpturen und anderer schöner Gegenstände verwendet. Die beiden Werkstoffe unterscheiden sich auch in der Art und Weise der Bearbeitung: Bronze wird gegossen und erfordert die vorherige Anfertigung eines Modells, während Eisen außer dem Gießen auch an der Oberfläche durch Hämmern, Schmieden, Walzen und Ähnliches bearbeitet werden kann.
Diese Plastiken sind leichter und dehnen sich im Raum wie Saiten aus, in denen alle Prozesse der Entstehung der Welt registriert sind. Bei der Formung einer Skulptur aus geschmiedetem Eisen spielt der Zufall eine wichtige Rolle, bei Bronzeplastiken ist hingegen nichts dem Zufall überlassen, hier ist alles genau ausgearbeitet, sowohl in den Details als im Ganzen.
Der Bronzeguss, der früher als Relief an der Wand hing, findet nun seinen Platz im Rahmen einer Traverse und verbindet sich auf eine neue Art mit dem Eisen. Das Eisen gibt der Skulptur Festigkeit und massige Präsenz, die weichen Formen der Bronze verleihen ihr die zarte Faltigkeit der Haut und die Wärme der Berührung.
Alle Segmente der Bildhauerei Po èivavšeks verbindet der Kontrast zwischen der großen Masse, die aus der Entfernung beeindruckt, und den feinen, wie Goldschmiedearbeit ausgeführten Details, die die Fantasie anregen und Assoziationsutensilien auf der erotischen Oberfläche darstellen. Die Skulptur wirkt durch die Gravitation und die elektromagnetischen Wellen, und wenn wir uns ihr nähern, erwartet sie uns mit einer die ästhetische Wirkung verlängernden Oberfläche.
Po èivavšeks Plastiken zielen auf ein sehr sensibles Empfinden des sie umgebenden Raums, auf subtile Wahrnehmungen der Formen und Berührungen. Zum Gesamteindruck einer Skulptur trägt nicht nur die Form bei, so wie wir bisher gewohnt waren, sondern auch Farbe, scheinbar zufällige Übergänge im Werkstoff, Verbindungsstellen der einzelnen Schichten, Gewicht und Kühle der Oberfläche. Das dynamische Verhältnis zwischen der Größe, dem Volumen der Skulptur und den feinen Details an der Oberfläche übertönt einige andere Wirkungen der großen Materialkonzentration. Diese autoreferentiellen Formen ersetzen die Leere und bemächtigen sich des Raums zwischen den Betrachtern.