Level 4 (Grundtext)
Theorie des Homokumulats IV
Die Schwierigkeit eines konkreten Funktionalitätsbeweises. Erste Ebene: Zusatzbekräftigungen. Doch uns geht es um die Geburt der Reaktion. Zweite Ebene: rein spielerisches Verhalten. Doch entscheidend ist die Kulturogenese. Dritte Ebene: die Entstehung von Kulturelementen. Formal- homokumulierende Erfindungen. Zwei Typen von Komplikationen im Extremalisierungsprozeß. Die Gesamtbilanz unserer Bemühungen auf dieser Ebene. Zurück zur ersten Ebene: allgemeine Intensivierung des Instrumentalverhaltens und die Tradition der Kultur.
Soweit unser allgemeines, prinzipielles Funktionalitätspostulat. Versucht man es mit konkreten Beispielen zu illustrieren, also einzelne formale Homokumulate in nützlichkeitsspendender Position zu erwischen, dann gerät man allerdings wieder auf ziemlich rutschigen Boden.
Nicht daß es an solchen Beispielen mangelte; ich denke da an andere Schwierigkeiten. Die niedrigste Stufe der aktuellen Funktionalität ist wahrscheinlich eine formale Zusatzbekräftigung von instrumentalen Reaktionen, die mit irgendeiner Anhäufung von Gleichem arbeiten und deshalb auch der darauf basierenden generellen Repertoirestrategie reizvoll erscheinen. Verhaltensweisen, denen eine derartige Zusatzbekräftigung widerfährt, sind nicht mehr bloß nüchterne Mittel zum Zweck, sie enthalten eine formal-konsummatorische Komponente und werden daher mit entsprechend größerem Eifer praktiziert, und dieser Unterschied kann durchaus relevant sein. Konkret identifizierbar ist eine solche Mischmotivation für uns freilich nur, wenn die CIF-Komponente wirklich deutlich in Erscheinung tritt, wobei sie traditionell meist als »spielerisches Element« eingestuft wird. (Das menschliche Spiel ist für uns ganz allgemein ein wichtiger Fundort des Formverhaltens und speziell der Homokumulativitätsgier, obwohl auch inhaltliche Motive daran beteiligt sind.) Ein klarer Fall der formalen Zusatzbekräftigung sind z.B. die schon erwähnten Bräuche der einfacheren Kulturen, weil sie oft unzählige homokumulative »Anhängsel« enthalten, die entweder überhaupt nicht oder höchstens arbiträr funktionell sind. Bei einer durchgehend determinierten Instrumentalhandlung ist jedoch keine derart saubere Trennung der Einflußsphären möglich; hier kann uns erst eine unmißverständliche Formalisierung der ganzen Reaktion Gewißheit geben, und solche Formalisierungen werden tatsächlich immer wieder beobachtet – man erkennt sie daran, daß eine Arbeit dem Menschen zuviel Spaß macht und zur Spielerei ausartet. Noch charakteristischer als für Erwachsene ist dieser Übersprung natürlich für Kinder, die instrumentale Kulturelemente vielfach nicht aus den sich anbietenden rationalen oder sozialen Gründen übernehmen, sondern eindeutig aus Freude an der homokumulativen Form.
Aber alle diese Varianten besagen eher wenig – für uns zuwenig, weil dabei die Rolle der Homokumulativitätsgier bei der Entstehung der zusätzlich bekräftigten zweckmäßigen Reaktion unklar, ja fraglich bleibt (denn schließlich ist die Formalisierung des Instrumentalverhaltens ganz offensichtlich sekundär), während es uns gerade auf die Repertoirebildung ankommt. Ein empirischer Beweis auf dieser Ebene scheint die umgekehrte Reihenfolge zu implizieren: zunächst ein reines Formverhalten ohne jede Funktionalitätsahnung und dann die Erkenntnis des Nutzens und die – vollständige oder partielle – Entformalisierung. Belegen muß man also wenigstens die Existenz beider Phasen (noch besser ist es, wenn es auch den Augenblick des Übergangs festzuhalten gelingt, aber darauf kann man viel seltener hoffen), und die ergiebigste Fundstätte für Beispiele auf dieser zweiten Funktionalitätsstufe ist nochmals das Kinderspiel, in dem Formalisierungen bunt vermischt mit solchen Verhaltenselementen auftreten, die mit dem Instrumentalverhalten der Erwachsenen nichts zu tun haben, sondern eigens für das Spiel erfunden scheinen; darunter befinden sich nämlich, obwohl nicht oft gesondert reflektiert, wieder zahllose formal motivierte Homokumulate. (Gerade das ist der Zusammenhang, in dem sich unser Motiv wahrscheinlich am frühesten bzw. in den meisten Kulturen verselbständigt.)
An sich wird die Nützlichkeit von solchen spezialisierten Spielelementen heute wohl von niemandem mehr angezweifelt, obgleich ihre Begründung meist im Allgemeinen steckenbleibt: durch Spiele dieser Art macht das Kind eben – auf der ihm zugänglichen einfachen Erfahrungsebene – eine tour d’horizon seiner grundsätzlichen Verhaltensmöglichkeiten (wobei uns, wie gesagt, vor allem die Richtung »nach oben«, also die Erforschung der Anhäufung von Gleichem interessiert). In der Jugend sind die Lücken im Reaktionsrepertoire selbstverständlich am größten und generelle Repertoirestrategien am nützlichsten – konsummieren dasselbe formale Homokumulat ein Kind und ein Erwachsener, so haben wir beim letzteren doch schon den Eindruck einer erstarrenden und viel weniger produktiven Gewohnheit –, also überrascht es nicht, wenn auch die relative Stärke der Homokumulativitätsgier sehr früh im Leben ihren Höhepunkt erreicht und dann langsam abnimmt. Die Funktionalität eines einzelnen spezialisierten Spielelements konkret nachzuweisen ist aber schon nicht mehr ganz so einfach, weil sie meist um irgendeine Ecke liegt: vielleicht ist das Element nur ein Baustein, der in eine bestimmte instrumentale Reaktion paßt, oder es ist einer nützlichen Information lediglich mehr oder weniger ähnlich, oder erst die Vorbereitung seiner Konsummation enthält eine Erfahrung, die dem Menschen in einem anderen Zusammenhang weiterhilft (denn die Homokumulativitätsgier entwickelt genau das gleiche instrumentale Vorfeld wie jede andere Motivation), usw.
Doch selbst wenn die Demonstration gelingt, bleibt ein Einwand unwiderlegbar. In vielen Kulturen sind solche autonome Spielenklaven nur sehr schwach ausgebildet, und dennoch funktionieren dann ihre erwachsenen Mitglieder völlig normal, weil sie die zweckmäßige Reaktion, um die es geht, notfalls auch der Tradition entnehmen können – ja müssen. Wieder erweist sich also die Homokumulativitätsgier, genau wie auf der ersten Funktionalitätsstufe, als unverbindliches Beiwerk. Überhaupt ist klar, daß die Kultur dem einzelnen stets ein komplettes Reaktionsrepertoire anbietet, und daraus folgt, daß er generelle Repertoirestrategien eigentlich als einzelner gar nicht braucht – oder mit anderen Worten, bei einem Kulturwesen kann die individuelle Repertoireproduktion nicht für das Überleben entscheidend sein; die Instanz, die solche Strategien benötigt, ist höchstens die Kultur selbst, und das gilt es zu beweisen, wenn man die funktionale Relevanz der Homokumulativitätsgier über jeden Zweifel erheben will.
Wie soll man sich diese dritte Ebene der Funktionalität genauer vorstellen? Am nächsten liegt es wohl, unserem Motiv eine Rolle bei der Entstehung (»Erfindung«) von Kulturelementen zuzuschreiben (und dabei sollen die Elemente aus leicht verständlichen Gründen nicht arbiträr sein – am besten gleich technologisch). Die Annahme impliziert wieder zwei verschiedene Motivationsphasen – nur im kulturellen Maßstab –, von denen die erste der Homokumulativitätsgier zufallen würde. Bei dem Versuch, eindeutige Existenzfälle eines solchen kulturogenetischen Primats aufzuzeigen, kommt es jedoch zu einer dramatischen Zuspitzung unserer Schwierigkeiten.
Zunächst geht es dabei, anders als bei der Ontogenese des Verhaltens, meist um eine Rekonstruktion von längst vergangenen Ereignissen, die von der Geschichte eine ziemlich exotische Art von Tatsachen verlangt, nämlich Zeugnisse über den Motivationszustand der Erfinder am Werk oder materielle Überreste, aus denen man auf diesen Zustand schließen kann. Man hat nur selten das Glück, daß derartige Fakten zufällig erhalten sind und eine halbwegs verläßliche Identifikation der Homokumulativitätsgier zulassen. Auf jeden Fall ist die Ausbeute für uns zu mager, so daß wir gezwungen sind, noch eine zweite Gruppe von Beispielen zu berücksichtigen, nämlich Erfindungen, bei denen man schon auf Grund ihrer inneren Logistik behaupten kann, daß sie sich ohne eine homokumulativitätsgierige Phase kaum denken lassen. (Konnte ein Kulturelement zur Not auch auf einem anderen Motivationsweg entstehen, so darf man zwar von einer Doppelabsicherung seiner Genese sprechen oder sogar Mutmaßungen über ihre Beschleunigung durch Homokumulativitätsgier anstellen, aber ohne Tatsachen bleibt das ganze ein hilfloses Tappen im dunkeln; um ein Minimum an Glaubhaftigkeit zu erreichen, muß man hier jede alternative Herkunftsmöglichkeit mit guten Gründen ausschließen können.)
Da bisher nicht mit dem von uns angenommenen Motiv gerechnet wurde, müßte in solchen Fällen eine akute explanatorische Ratlosigkeit zu beobachten sein – und die ist bekanntlich, besonders im Bereich der sogenannten basischen Erfindungen, oft genug vorhanden. Doch dürfen wir dabei nicht vergessen, was genau unser Konstrukt zur genetischen Erklärung des inhaltlich-instrumentalen Verhaltens beitragen kann. Sicher ist es nicht für die »Konstituierung« der dem Verhalten zugrunde liegenden Information zuständig; seine Kompetenz beschränkt sich da auf Anhäufungen von Gleichem, die erst bei einer solchen Größe die Funktionalitätsschwelle überschreiten, wie sie höchstwahrscheinlich nicht spontan vorkommt, sondern nur durch Extremalisierungsprozesse erreicht werden kann. Die Homokumulativitätsgier bringt nämlich in das Verhalten zum ersten Mal eine von seiner konkreten Nützlichkeit unabhängige (quantitative) Entwicklungstendenz und ist deshalb imstande, den Werdegang derartiger Anhäufungen bis zur Funktionalitätsschwelle intelligibel zu machen. In diesem Sinne wollen wir im folgenden von formal-homokumulierenden Erfindungen sprechen.
Reaktionen, die eigens
angehäuft sein müssen, um nützlich zu werden, sind gar nicht
so selten, also wären rein theoretisch zahlreiche
formal-homokumulierende Erfindungen möglich. Allerdings ist uns
die Beweiskraft einer einfachen, problemlosen mengenmäßigen
Extrapolation noch immer zu klein, weil wir nicht sicher sein
können, ob der Erfinder nicht vielleicht doch schon vom Anfang
der Extremalisierungslinie aus die Zweckmäßigkeit des
Endergebnisses erschaut hat
(= Doppelabsicherung). Berechtigte Hoffnung auf Eindeutigkeit
besteht also nur dort, wo der Extremalisierungsprozeß mit
irgendeiner Komplikation verbunden ist, und davon kommen mir zwei
Typen in den Sinn.
A. Die kleinste denkbare Verwicklung besteht darin, daß bei einem Inhalt mehrere Homokumulationsrichtungen möglich sind, von denen sich eine, die »primitivste«, so sehr aufdrängt und alle anderen überschreit, daß sie zwangsläufig als erste in Angriff genommen wird, zugleich aber die falsche ist oder allein nicht ausreicht. Das instrumentale Ziel ist dabei vom Start her unter Umständen sogar in groben Zügen sichtbar, doch die tückischen Einzelheiten des Weges dorthin sind es ganz bestimmt nicht, und deshalb bringt die Verwirklichung des sich zunächst anbietenden Extrems eine schwere Enttäuschung mit sich, nach der ein weiteres Ausharren bei der ursprünglichen Nützlichkeitserwartung, falls es eine solche gegeben hat, sehr unwahrscheinlich wird. Als Form hingegen bleibt die vermeintlich funktionslose Anhäufung weiterhin interessant, also wird sie trotzdem beibehalten und so lange konsummiert, bis der Mensch durch die sich dabei ansammelnden Erfahrungen schließlich auch auf die weniger vordergründige richtige bzw. ergänzende Homokumulationslinie aufmerksam wird.
B. Vermutlich noch charakteristischer ist jedoch eine andere Art der Komplikation, bei der sich im Laufe der Extremalisierung der Inhalt selbst verändert durch eine oder mehrere eingeschobene Rekonstituierungen, nach denen natürlich auch die Homokumulationsrichtung nicht mehr ganz dieselbe sein kann, aber ein solcher Wandel wird erst durch die Rekonstituierung möglich, während diese ihrerseits die Absolvierung der ihr vorangehenden Extremalisierungsstrecke voraussetzt, d.h. die Reihenfolge der Schritte ist dabei streng determiniert. Durch derartige Windungen wird die logische Entfernung zwischen dem Ausgangspunkt der Entwicklung und der Funktionalitätsschwelle endgültig zu groß, um vom inneren Auge des Menschen überblickt werden zu können (entweder wegen der Komplexität des Sachverhaltes oder, bei basischen Erfindungen, wegen seiner völligen Unerfahrenheit auf diesem speziellen Gebiet); und da auch ein spontanes Auftauchen der Endform ganz offensichtlich nicht in Betracht kommt, müssen wir einen Weg finden, wie wir ihre Entstehung in mehrere voneinander und vom gemeinsamen »Ziel« unabhängige Abschnitte zerlegen könnten. (Die Rekonstituierungen selbst sind freilich nicht weiter zerlegbar, aber sie fallen doch als logische Sprünge auch im ungünstigsten Fall um einiges kleiner aus, so daß ihre Bewältigung durch die Einsicht oder den Zufall beträchtlich wahrscheinlicher wird, obwohl sie meistens noch immer eine gewisse Wartezeit impliziert, und dasselbe gilt sinngemäß für den »Initialzusammenschluß« der Informationselemente vor der ersten Extremalisierungsstrecke.)
Auch hier ist die Homokumulativitätsgier die einzige, die die für eine solche Zerstückelung notwendigen Zwischenbekräftigungen liefern kann, weil sie jeden Punkt innerhalb der geschilderten Entwicklungslinie als »derzeitiges Extrem« auffassen muß, das keiner über es hinausweisenden Daseinsbegründung bedarf. Sie ist es, die die Information auf der jeweils erreichten Anhäufungsstufe gleichsam konserviert; die den weiteren Extremalisierungsprozeß bis zur nächsten Rekonstituierung trägt; die zwar die Rekonstituierung als solche nicht unmittelbar herbeiführt, wohl aber ein geduldiges Warten auf sie ermöglicht; die nach der Rekonstituierung die neue Homokumulationslinie aufgreift; und die durch all das einen blinden, ahnungslosen Sog erzeugt, der den Menschen zu sehr entlegenen Verhaltensmöglichkeiten führen kann.
Im Prinzip ist eine formal-homokumulierende Erfindung durchaus als das Werk eines einzelnen vorstellbar, ohne daß wir ihn deshalb für einen Halbgott erklären müßten, denn auch er würde einfach darauf zu driften, ohne zu wissen, was ihm geschieht. Typischerweise dürfte sie sich jedoch über Generationen hinziehen und aus vielen kleinen individuellen Beiträgen bestehen, die als Formen weitergereicht werden. Und noch etwas: theoretisch ist es ohne weiteres möglich, daß auch unter den von uns für nutzlos gehaltenen Homokumulaten einige den Durchgangspunkt einer Entwicklungslinie darstellen, an deren Ende das Dornröschen einer ähnlich entlegenen Zweckmäßigkeit auf seinen Prinzen wartet.
Die Gesamtbilanz unserer Bemühungen auf dieser dritten Funktionalitätsebene sieht so aus, daß wir uns in einigen wenigen Fällen doch zumindest teilweise auf historische Fakten stützen können und in einigen anderen (oder auch denselben) unsere Zweifel an der kulturogenetischen Doppelabsicherung der Verhaltensweise in der Tat nur eine Art ihrer Entstehung zuzulassen scheinen. Viel ist das nicht, aber immerhin reichen beide Gruppen von Beispielen zusammen aus, um die Denkmöglichkeit durchzuspielen, und dabei zeigt es sich, daß die Erklärung der Erfindung mit der Homokumulativitätsgier an sich nicht unlogisch klingt und daß sie den vorhin erwähnten explanatorischen Defätismus wenigstens kräftig erschüttert. Außerdem beziehen sich unsere Beispiele durchwegs auf große Erfindungen, die natürlich einen spektakulären Beweis für die Unentbehrlichkeit der Homokumulativitätsgier bei der Menschwerdung abgeben würden, und dafür lohnt es sicher einiges zu riskieren.
Auf absolute Gewißheit zu hoffen wäre hier allerdings mehr als vermessen. Die formal-homokumulierende Erfindung ist und bleibt ein besonders spekulativer Teil unserer Hypothese, den der Leser ruhig verwerfen darf, wenn er nur nicht vergißt, daß dabei nicht die ganze Theorie des Homokumulats auf dem Spiel steht, sondern lediglich das spezielle Problem der Identifizierbarkeit eines möglichst schlagkräftigen und überzeugenden konkreten Funktionalitätsfalles; der Rest der Theorie bleibt, auch wenn es nie eine solche Erfindung gegeben hat, gültig. Es spricht sogar einiges dafür, daß wir wegen unserer Schwierigkeiten mit der Mischmotivation gezwungen sind, in einer weniger versprechenden Richtung zu suchen, und daß das entscheidende Niveau der Nützlichkeit unseres Motivs in Wirklichkeit ganz woanders liegt, nämlich dennoch auf der ersten Funktionalitätsstufe. Denkbar ist nämlich, daß die Homokumulativitätsgier weit über den Bereich der augenfälligen Verspieltheit hinaus bei jeder Gleiches anhäufenden Instrumentalhandlung – und das heißt, wie gesagt: bei der Mehrzahl aller Instrumentalhandlungen – als »Spurenelement« beteiligt ist und auf sie abfärbt, d.h. daß die Handlung unter ihrem Einfluß um eine Nuance intensiver, extensiver, reiner oder sonstwie »gründlicher« ausfällt, als es der Stärke der inhaltlichen Motive entsprechen würde, und daß sich erst die Gesamtsumme solcher geringfügiger Unterschiede im Grad der Ausnutzung des jeweiligen Verhaltenspotentials zu dem gesuchten funktionalen Vorteil zusammenläppert. Das wäre zwar nicht so spektakulär, dafür aber im Geschehnisraster wahrscheinlicher als einzelne Großereignisse vom Typ der formal-homokumulierenden Erfindung (die man sich ohnehin nur als eine Spätfolge der Homokumulativitätsgier vorstellen kann).
Die Unentbehrlichkeit der letzteren für die Menschwerdung könnte auch in diesem Fall, in dem sich beide Typen von Repertoirestrategien auf dieselbe Reaktion oder korrekter gesagt auf denselben Inhalt beziehen, gegeben sein, nur würde sie nicht die Entstehung der Kulturelemente betreffen, sondern ihre überindividuelle Weitergabe, also die Tradition der Kultur. Dieser Prozeß ist sicher in hohem Maße entropieanfällig, was ohne eine praktisch hundertprozentige Absicherung zu einem ziemlich raschen Verfall jeder nicht ganz primitiven Kultur führen würde, und es ist möglich, daß sich eine solche Absicherung erst durch die eben beschriebenen unmerklichen Interventionen der Homokumulativitätsgier verwirklichen läßt, die unsere Nachahmung der Kulturmuster unablässig »strammziehen«, gleichsam als vorwegnehmende Überkorrekturen der drohenden Schlamperei. Aber wie soll man all das beweisen? Wie soll man z.B. an dem – oft bemerkten – Fanatismus der Überlieferungstreue eine eventuelle formale Facette von den vielen inhaltlichen Gründen unterscheiden? Mehr als ein rein theoretisches Postulat ist hier für uns einfach nicht drin.