Enrico Crispolti
EINLEITUNG
Es sind nun schon mehrere Jahre her, dass Pino Poggi von der »Arte
Utile – Avantgarde Utile (AU)« spricht: Er hat das Manifest dazu in
der 2. Hälfte der sechziger Jahren erarbeitet und es in folgenden Jahren
verbreitet. Nach Aktionen mit dem AU - Raum in Regensburg zu Beginn
der siebziger Jahre hat er angefangen die Grundsätze der AU nach außen
zu tragen. Zu seinen lebhaftesten Aktivitäten gehört der Protest gegen
Umweltverschmutzung, für eine grüne Stadt (München 1971) und pädagogische
Untersuchungen (= Keks, eine Gruppe, die bei der experimentellen Sektion
der Biennale von Venedig, 1970, vertreten war). 1975/ 76 und noch später
realisiert er, die bis dahin präzisesten Ergebnisse seiner UA – Projekte,
Ergebnisse kollektiv durch Mitwirkung, die exakt zu „Kooperation“ wird,
jedoch – mit der vollen Übernahme der Regie und durch gestalterisches
Engagement von Pino Poggi selbst geführt. AU hat ohne Zweifel die Tendenz
zum Sozialen Dialog, sie hat ihre Existenzmöglichkeit sozusagen nur
in dieser Dimension. Das Manifest besagt, in Hinsicht auf das „Publikum“
und seiner Fähigkeit zur Emotion gegenüber der Kunst, im allgemeinen:
“Au wird der Bürger helfen, die Probleme seines tatsächlichen Lebens
klar zu erkennen und wirkt so an deren Lösung mit.“ AU wirkt auch und
besonders in Kontakt mit allen, d.h. in den „Museen“ den Plätzen, in
den „Galerien“, den Kaufhäusern, den „Theatern“ den Straßen usw. Konkret:
„Für AU ist nur die Arbeit gültig, die in Verbindung steht mit dem,
was täglich geschieht, d.h. einem kontinuierlichen Wechsel, einer Kontinuierlichen
Freiheit des Ausdrucks und der Bewegung.“ In diesem Sinne muss der „Utilist“,
wie Pino Poggi ihn nennt, „die eigene Aktion- und Meinungsfreiheit,
d.h. die eigene kritische Freiheit, verteidigen und beibehalten. Auch
muss er für das Problem des Überlebens kämpfen, indem er sich auf konkreten
Ebene des „Kampfes für die Existenzbedürfnisse“ einfindet und sich mit
seiner eigenen impulsorischen Fähigkeit in die Aktion der AU einreiht.
Dies ist genau die Dimension der AU. „Ein AU – Werk existiert in seiner
Bedeutung für die Gesellschaft nur, solange es in der Gesellschaft als
ein ihr eigenes Problem begriffen wird. Ist das Problem von der Gesellschaft
gelöst, hört für dieses AU – Werk das Recht auf, wirklich zu existieren.“
Es wird dann nur als Dokumentation bestehen.
Die Intentionen des Manifests, im einzelnen auch die AU-Blätter und
AU-Aktionen aus der 1. Hälfte der siebziger Jahre, ergeben ein klar
sichtbares, sehr differenziertes und komplexes Bild, das als Projektion
des ästhetischen Operateurs in das soziale Engagement hinein bestimmt
wurde. Auf der Biennale von Venedig, 1976, beantwortete die italienische
Sektion (nicht als einzige, aber mit größerer Transparenz als andere)
das Generalthema der Manifestation als "Ambiente", indem sie
den sichtbaren Ausdruck des z.Zt. in Italien erfolgenden Suchens nach
ästhetischem Engagement im "Ambiente come sociale" dokumentierte.
Bei dieser Gelegenheit versuchte ich, diese neuen "künstlerischen"
Arbeitsmethoden klarzustellen. "Das darin enthaltene Visuelle in
dieser Phänomenologie von Erfahrungen ", schrieb ich im Katalog,
"ist jenes - und das ist das ganz neue - von der Bestimmung eines
kulturellen und ästhetischen Operateurs zu der eines "Kooperateurs"
zu gelangen. D.h. man setzt die traditionellen Privilegien seiner spezifischen
Eigenart entschieden ins Spiel, um keine einseitige Beziehung mehr herzustellen,
sondern einen engen dialogischen Kontakt. Als kultureller Impulsgeber
ist man ebenso bereit zu geben wie zu empfangen, in einer Erfahrung,
die gemeinsam wird, bilateral, und nicht mehr die einseitige Vermittlung
darstellt vom Gebildeten - dem Operateur - zum Ungebildeten, jedenfalls
dem, der zur Kultur fähig wird, dem sog. Konsumenten; - bereit mitzuwirken,
d.h. de facto paritätisch Anteil zu nehmen, akzeptiert er auf seine
Weise die kreative Vorschlage dessen, der ihm gegenüber nicht mehr der
einfache und untergeordnete Konsument einer einseitigen Beziehung ist.
Der zum "Kooperateur" gewordene Operateur ist also hauptsächlich
ein Aufrüttler des kulturellen Selbstbewusstseins des anderen, interessiert
an einer bewussten Mitwirkung des anderen in Hinsicht auf eine kulturelle
Selbstführung von der ''Peripherie" her, zu einer echten Problematik
von Dezentralisation ".
Weiter habe ich fest gestellt: "Wir befinden uns vielleicht in
der gleichen Dimension des avantgardistischen Konzepts und der Suche
- wollen wir das Blatt wirklich wenden -, wenn wir Bezug nehmen auf
die Erbschaft der historischen Avantgarde und die Erfahrung der sog.
Neoavantgarde, die davon abhängt. Die historische Avantgarde und die
jetzige, kulturelle Forschung, die sich darauf bezieht, ich möchte sogar
sagen, die ganzen sechziger Jahre sind hingegen durch die Kenntnis dieses
Suchens charakterisiert als Hypothese eines klaren Ausdrucks von Bruch,
da sie bevorrechtigt, absolut, individuell und wirklich oppositionell
sind... Die avantgardistischen Perspektiven scheinen heute jedoch wesentlich
andere zu sein: das kulturelle Forschen ist: Heute tatsächlich nicht
das Suchen nach einer klaren Sprache, sondern mehr das Suchen nach Beziehungen,
d.h. es orientiert; sich an einer Strategie der exakten kommunikativen
Antwort zu einer Frage der Masse." Und schließlich: „In der Suche
nach einer Sprache, haben wir heute die unterschiedene und konkrete
Richtung einer direkten Korrespondenz und einer sozialen Verifizierbarkeit.
Das Suchen ist ein Suchen im sozialen Bereich geworden, es sieht aber
nicht vom Spezifischen und seiner Vielfalt ab, sondern dehnt nur die
Grenzen von ihm aus, d.h. es erneuert die Abgrenzung, um so - unter
voller Akzeptierung des Risikos - einer neuen Frage zu begegnen, die
elitäres Vorrecht ausschließt und zu einer Perspektive führt, die historisch
schon längst überwunden ist." Sicher hat diese neue operative Dimension
in den siebziger Jahren in Italien eine besondere Charakteristik erreicht,
hinsichtlich der engen Beziehung mit der Evolution der politischen und
sozialen Evolution. Sie hängt ganz mit den Tatsachen und Perspektiven
eines im richtigen Moment erfolgten starken Entschlusses von der Basis
zusammen und des dezentralisierten Impulses, der in jedem Aspekt des
sozialen Lebens stattfindet (Erfahrung der Schülermitverwaltung, des
Betriebsrates, Dezentralisierung administrativer, regionaler, kommunaler
und bürgerlicher Art, kulturelle Dezentralisierung im allgemeinen usw.).
Ich selbst habe versucht tiefer zu gehen in der Analyse dieses ganzen
problematischen Komplexes, sei es spezifisch im Rahmen der Forschung,
sei es im Rahmen der politischen und sozialen Verwaltung der Kultur,
in Hinsicht auf die italienische Situation in dem Buch "Arti visive
e partecipazione sociale". Es ist eine Art Arbeitstagebuch, dessen
erster Band 1977 erschienen ist (bei Donato, Bari). Gewidmet ist es
der Durchführung von "Volterra 73", einer bedeutenden Veranstaltung
von Interaktion im sozial-urbanen Zusammenhang, die 1973 in dieser toskanischen
Stadt und dann auf der Biennale von Venedig 1976 realisiert wurde, nachdem
ihr der Versuch einer theoretischen Organisation dieser Problematik
vorausgegangen war.
Diese neue operative Dimension, auf den Sozialbereich projiziert, bewegt
sich Jedoch sicher nicht nur innerhalb der italienischen Situation.
Zweifellos existiert hier eben das Besondere einer politischen Tendenz,
die stärker ist als woanders, auch wenn in einem Spektrum vielfältigen
Suchens, einem Spektrum, das sich, wenn ich ein Beispiel zitieren darf,
von der Projektion oder der Realisierung der gegenwärtigen urbanen Konflikte
bei Bildhauern wie Somaini und Staocioli (alle beide auch später auf
der Biennale von Venedig 1978 präsent mit Interaktionen im Außenbereich:
"besonders der zweite mit seiner berühmt gewordenen "Mauer"
am Eingang des Giardini) erstreckt und "bis zu den Analysen der
individuell-urbanen Wiederbesitzergreifung des radikalen Architekten
La Pietra, der Salerno 75, und des "Ufficio per I'immaginazione
preventiva" geht und bis zur Unterstützung einer spontanen Mitwirkung
reicht, sei es unter dem Aspekt der poetischen Aktion wie Dalisi (eines
anderen radikalen Architekten) von Summa, oder der Gruppe Ambulanti,
sei es unter dem Aspekt politischer Aktion wie dem Kollektiv autonomer
Maler von Porta Ticinese. Jedoch schon auf der gleichen Biennale von
Venedig 1976 hat man verschiedene Konzepte für eine internationale Ausdehnung
dieses Schemas von ästhetischer Operation im Sozialraum entworfen. Zum
Beispiel schlug eine holländische Gruppe vor, eine exakte Analyse von
Bedingungen des „Habitat“ (Wohnens) zu machen und die Möglichkeit der
Interaktion von der Seite des ästhetischen Operateurs her zu finden,
wahrend zahlreiche Gruppen und einzelne Operateure aus der Schweiz eine
sehr artikulierte Arbeit dokumentierte, die auf den Dialog und die ''ko-operative"
Mitwirkung gegründet war. Andererseits präzisierte das französische
"Collectif d'Art Sociologique" (Herve Fischer, Fred Forest
und Jean-Paul Thenot) die Begriffe einer ganz in den Dimensionen der
sozialen Kommunikation gelegenen Forschung, die das herrschende System
von seinem Innern heraus ablehnt. "Es handelt sich nicht darum",
sagt das "Manifesto d'Arte Sociologica n.3", neue Modelle
sozialer Organisation vorzuschlagen, sondern darum wirklich zum dialektischen
Vermögen der Methoden des kritischen Fragens zurückzufinden. Dieses
Bewusstsein oder präziser, diese bewusste Einsicht musste bei der gebotenen
Gelegenheit eines Bruchs im sozialen System (entstanden aus Krisen der
Wirtschafts- und Verwaltungsstruktur die Entwicklung einer Systematischen
Verweigerung erlauben, um die Richtung des Weges jener anzuzeigen, die
die sozialen Verknüpfungen zu verändern wünschen. Die philosophische
Frage nach dem Sinn (dem Signifikativen) ist ohne Zweifel subversiv,
wenn sie ein Sozialsystem bestreitet, das es nicht zulasst im Mittelpunkt
der Diskussion zu stehen. Sogar die Vorschläge des israelischen Bildhauers
Dani Karavan erreichten in Venedig 1976 eine detaillierte Gültigkeit
der kollektiven Verwirklichbarkeit und einer gemeinsamen Aufführung.
Aber auch der internationale Rahmen profilierte sich besser als zuvor,
und nicht nur in Venedig selbst, wo die Biennale 1978 z.b. den problematischen
Bereich der Anthropologie (von Paradiso bis zu Conanna) gezeigt hat.
In Venedig, dem schon gleichsam "historische" Sitz, wurde
die kritische Analyse wieder aufgenommen, die von Hans Haacke 1971 in
Manhatten zur Situation der Bauspekulation und der sozialen Enteignung
geführt worden war. Die Beispiele lassen sich multiplizieren. In den
USA gibt es eine sehr breite, wenn auch fragwürdige Aktivität von Mauer-Interaktionen
in städtischem Zusammenhang (nicht nur in New York). Außerdem agierte
die Gruppe "Site" in den Begriffen einer architektonischen
Negation. Zu Beginn des Jahres 1978 hat die Pariser Zeitschrift "Opus
International" (Nr. 65) verschiedene sehr einschneidende Arten
von Ästhetischer Interaktion im Sozialbereich dokumentiert : von Ernest
Pignon, der "Grupe Untel", von Rougemont und von Marc Petitjean.
Die Diskussion wird nun sehr breit geführt, in sehr differenzierter
Ausdrucksweise von operativen Modalitäten, wenn auch nur in sprachlicher
Hinsicht. Übrigens hatte Frank Popper in seinem Buch Art - Action and
Participation von 1975 (Studio Vista, London) auf gemeinsam unternommene
Aktionen aufmerksam gemacht, die von gleichen Forschungsexperimenten
der europäischen und amerikanischen Avantgarde, besonders in den sechziger
und siebziger Jahren, herrühren. Mit ihnen stehen die Vorschläge zur
Ästhetischen Operation im Sozialbereich ohne Zweifel in verbalem Zusammenhang
und sie setzen, abgesehen davon mit entschiedener Klarheit vor allem
den Ansatzpunkt zu einer neuen sozialen Frage, schließlich zu einer
neuen und konkreten sozialen Praktizierbarkeit.
Innerhalb dieses breiten Rahmens von Ästhetischer Aktivität im Sozialraum
steht die Forschung von Pino Poggi mit einer eigenen Identität, wie
mir scheint in der Spannung von Dialog und "Ko-operation",
wirklich alles als Rechtfertigung und Bestimmung des gestalterischen
Ergebnisses anzuekhrkennen. Von diesem Resultat nimmt Pino Poggi immer
klar die Notwendigkeit wahr, das es zusammenfassendes Moment eben einer
"ko-operativen" Erfahrung und Instrument des zusätzlichen
Dialogs sein müsse. Ich will damit sagen, das für Pino Poggi ein Sichtbarmachen
von Arbeit, wie sie die gemeinsam unternommene Aktion durch Gestaltung
von Vorschlägen darstellt, stets gegenwärtig ist; und er entwickelt
sie in einer "Ko-operation", die immer zu einer klaren, gestalterischen
Übereinstimmung führt, d.h. in einem erarbeiteten Entwurf visueller
Kommunikation. In diesem Sinn ist der Bezug zwischen dem anfänglichen
Entwurf des Operateurs, Pino Poggi selbst, und der Antwort der Mitwirkenden
immer sehr eng, und sie baut den kollektiven Augenblick der Kommunikation
auch zum gestalterischen Zeugnis aus. Die ausdrückliche Bestimmung der
Teilnehmerrolle und andererseits die Klarheit über die eigene Rolle
gestalterischer Regie scheint mir die Arbeit Pino Poggis zu kennzeichnen.
Übrigens hatte Pino Poggi schon in der zweiten Hälfte der sechziger
Jahre, in einem Klima, das offenbar von der neodadaistischen Tradition
beeinflusst war, in Wirklichkeit aber bestrebt, Hypothesen einer Geschichte
anzubieten, indem er zur Lektüre einlud, "Holzbücher" gemacht.
Es sind geschriebenen und dargestellte Sachverhalte auf Holztafeln,
die zwischen Führungen aus Rundmetall gleiten und sich so zu einer Lektüre
eignen, wobei die Ar der Teilnahme entsprechender und geeigneter war,
und wozu sie tatsachlich animierten. Unentbehrlich war dabei die Interaktion
des "Lesers", sein Durchsehen und sein Gang in die Texte und
Vorstellungen, in die erzählerische Handlung. Objekte, die zum Gebrauch
animieren; ein Gebrauch eben von Beratung und Lektüre. Doch beschrankte
sich damals die Mitwirkung auf diese Ebene. In der Erfahrung mit den
„AU – Blättern“ und den AU-Aktionen in der ersten Hälfte der siebziger
Jahre realisiert Pino Poggi dagegen voll die gemeinsame "Ko-operation"
und die kollektive Tätigkeit, auf problematische Themen einer konkreten
sozialen und politischen Aktualität hin zu einem gegliederten Prozess
in verschiedenen Phasen. In der ersten Phase nimmt Pino Poggi einige
graphische Montagen vor, "assemblages", ausgehend von Vorstellungen
photomechanischen Ursprungs, mit schriftlichen Kommentaren eigenen Meinungen
und Gedanken zu gegenwärtigen sozio- politischen Themen lokaler, nationaler
und internationaler Art. Von jeder Montage stellt er ein doppeltes Original
her. Diese erste Phase stellt den Beitrag vom Ausgangspunkt individueller
Sicht dar. In der zweiten Phase, die öffentlich ist und sich auf der
Straße abspielt, bietet Pino Poggi den Passanten an, mitzumachen, indem
sie in seine Montage, die auf einem Tisch ausliegt, hineinschreiben
oder andere Zeichen setzen. Die Kommentare des Publikums repräsentieren
die verschiedenen Antworten auf die problemgeladenen Entwürfe Pino Poggis;
sie werden dadurch reicher an Beobachtungen, an Zeichen und personaler
Beziehungen. Der Individualentwurf wird mit einer kollektiven, in sich
gegliederten Antwort konfrontiert, gleichzeitig wird der anfängliche
Entwurf zur Artikulation von Meinungen aktivierte, indem das problemgeladene
sozio- politische Thema nachdrücklich betont ist. Damit die Komplexität
dieser Reaktionen gegeben ist, wird die Dokumentation durch eine Foto-
und Videotape - Aufnahme "bereichert. die Mitwirkenden werden aufgefordert;
für eine neue Interaktion ihren Namen und ihre Adresse zu hinterlassen.
Natürlich findet dies alles in eines Umgebung statt, die genügend sozio-kulturell
ausgewiesen ist.
Die dritte Phase nennt Pino Poggi "Metamorfosi AU" (Environment
AU) und sie spielt sich innerhalb eines genügenden Zeitraums ab, z.b.
drei Monate später. Pino Poggi fotografiert die zwei sich entsprechenden
Montagen auf ein einziges Format, in dem sich das Thema gegenübersteht:
das, welches wir unbearbeitet individuell nennen, und jenes, welches
durch den kollektiven Kommentar der anderen, der Passanten modifiziert
und bereichert wurde. Pino Poggi konfrontiert die beiden Montagen und
verarbeitet sie zu einer dritten Version, einer neuen komplexen Montage,
die seine Schlüsse und zusätzlichen Reflexionen festhält. In diesem
Sinn wird die Diskussion wieder belebt. Der nachfolgende Ort der Diskussion
ist der Raum, der zum Konsum der Kunst bestimmt ist, eine Galerie oder
ein Museum, wo (wie im Münchner Lehnbachhaus, 1976, oder in Kassel bei
der Documenta 6, 1977) Pino Poggi die verschiedenen, komplexen Montagen
an die Wand stellt mit einer weißen Fläche darunter, damit man beim
Lesen und Wiederzusammensetzen des "Puzzle" darauftritt. Die
komplexe Montage selbst wird wieder vorgestellt und in Tafeln geteilt,
eingeschlossen in einen metallischen Käfig mit Schlüssel (einem Objekt,
das der Erfahrung mit den "Büchern" erwachsen ist). Die Personen,
die beim Straßendialog teilgenommen haben, werden persönlich eingeladen,
mitzuwirken und es entwickelt sich daraus eine weitere Begegnung von
Partecipation und Diskussion mit einem neuen Publikum, jemen, das in
die Galerie oder das Museum zur "Ausstellung" eingeladen ist.
Ein Videotape nimmt erneut auf, was sich als Synthese der gesamten Erfahrung
gebildet hat und was als Folgerung dasteht, damit in einer weiteren
Diskussion die angerührten Themen wieder aktualisiert werden.
Diese Themen, abgesehen von jenen einer größeren internationalen Bedeutung,
verstanden in einem kritischen und provokatorischen Sinn(z.b. Neofaschismus,
Terrorismus), sind auch von lokalem Interesse als typisch sozialer Schlüssel
(z.b. das
Alten- oder Kinderproblem innerhalb eines Stadtviertels). Die Hilfe
zur Reflexion führt zu Prozessen eines sozialen und politischen Bewusstsein,
das, insbesondere in einem Erfahrungsfeld, wie dem von Pino Poggi praktizierten,
nämlich Bayern, einen präzisen menschlichen Wert erreicht.
In diesem Sinne führt die "Aktion" der "Arte Utile"
von Pino Poggi zu Bevußtseinsprozessen sozialer, politischer und menschlicher
Art, andererseits führt sie wieder zu einer Möglichkeit des gestalterischen
Entwurf, also zu den ihnen innenlohnenden Zielen, d.h. in die künstlerische
Sphäre, und interferiert zwischen den kanonischen Räumen des Kunstkonsums.
Wenn die kritischen, sozialen und politischen Induktionen in der Übung
einer gestalterischen Kommunikation mit eingeschlossen sind (die Montagen,
zu denen Pino Poggi die Themen entwirft in der Tat zu Bestimmungen einer
bewussten gestalterischer Strukturierung von Zusammenhängen der Vorstellungswelt
aufgebaut), gleichzeitig die weiteren gestalterischen Ergebnisse, die
zu kollektiven Interaktionen und nachfolgenden "Metamorphosen"
geworden sind, dann sind sie eng in die Motivationen der sozio-politischen
Themen eingeschlossen, die sich zur Mitwirkung eignen und eine Mitwirkung
unterstützen.
Für Pino Poggi ist in der Tat "Kunst" "Utile" in
dieser Doppelung des in ihr Enthaltenen. Jedes Zeichen dieser "Tafeln"
erreicht nun eine umfassende Funktionalität, kommunikativ und dokumentarisch
zugleich.
gor