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CROSSOVER III
9.9. – 8.10.2006

Crossover – eine dreiteilige Ausstellungsreihe des Kärntner Kunstvereins

Silvie Aigner

Die Ausstellungsreihe Crossover hat mich seit 2004 begleitet, auf Einladung von Wolfgang Walkensteiner hatte ich bereits ab der ersten Ausstellung auf der Burg in Ljubljana die Gelegenheit als Katalogautorin gemeinsam mit meinen slowenischen Kollegen und Kolleginnen das Projekt zu begleiten. So hat mich die Entscheidung des Kunstvereins sehr gefreut, nun zwei Kuratoren Jernej Kozar von der Koroska Galerija umetnosti likovnih und mich einzuladen, die letzten beiden Ausstellungen der als Trilogie angelegten Ausstellungsreihe kuratieren.

Die drei Crossover-Ausstellungen hatten einen durchaus heterogenen Fokus.
So zeigte die erste Ausstellung 2004 einen klassischen Ansatz einer Länder übergreifenden Präsentation. Auf der Burg in Ljubljana wurden Arbeiten von 6 österreichischen Künstler gezeigt und im Klagenfurter Kunstverein  8 slowenische Künstler, wie u.a. von Janez Bernik, Ivo Prancic oder Klementina Golija.  2005 firmierte das Crossover-Projekt unter dem Titel „Pas de deux“. Sieben Künstler, Mitglieder des Kärntner Kunstvereins, gingen mit einem Künstlerkollegen, einer Kollegin aus Slowenien eine überregionale Partnerschaft ein, um  im Zeitraum von Mai bis September 2005 gemeinsame Projekte an diversen Orten in Slowenien zu realisieren. Der Weg zur Erarbeitung eines gemeinsamen Werkes, einer gemeinsamen Ausstellung oder einer Intervention vor Ort  war dabei ebenso Thema wie die daraus entstandenen Arbeiten selbst, die abschließend in einer gemeinsamen Präsentation im Kunstverein Kärnten gezeigt wurden.

Crossover meint in gewisser Weise das Überschreiten von Grenzen, das Durchqueren von  Übergänge, Passagen, verbunden mit der Notwendigkeit neue Wege zu beschreiten, das Vertraute hinter sich zu lassen und sich mit dem bislang Fremden auseinanderzusetzen. Unter diesem Aspekt versucht der österreichische Teil der Ausstellung „Crossover III – le passage“ 2006 in den Räumen der Koroska galerija sich  dem Thema Crossover anzunähern. Künstler nehmen durch die für sie selbstverständliche grenzüberschreitende Zusammenarbeit oft eine Vorreiterrolle ein, und thematisieren die damit verbundene Fragestellungen, wie sie auch tradierte Standpunkte und gesellschaftliche Konditionierungen aufzeigen.


Die Ausstellung gibt einen erweiterten Einblick in die zeitgenössische Kunstproduktion aus Österreich zu geben und die Künstler und Künstlerinnen des Kärntner Kunstvereins in  einen zeitgenössischen Kontext zu stellen,  der auch Künstler integriert, die wie die Lassnig Schülerin Barbara Graf in der Schweiz geboren wurden, oder wie Canan Dagdelen in der Türkei. Sie alle leben und arbeiten in Österreich und es ist ein wesentliches Anliegen der Ausstellung im Sinne des Crossover eine nationale Domestizierung und Etikettierung der Kunst zu durchbrechen. Gerade der Titel Crossover war dazu geeignet Künstler und Künstlerinnen auszuwählen, die über diesen Begriff reflektieren und das auf höchst unterschiedliche und differenzierte Weise, das heißt sie thematisieren ihre Erfahrungen mit anderen Kulturen oder entwickeln ihre Arbeiten  auf Reisen oder während längerer Aufenthalte im Ausland, bzw. wird dieser später in ihren Bildern aus der Erinnerung verarbeitet. Doch bezog sich meine Auswahl neben einer inhaltlichen Konzeption auch auf einen formalen Dialog der einzelnen Positionen

und setzten verschiedene Medien wie Malerei, Skulptur, Video sowie Fotografie nebeneinander.

Einige der Arbeiten konfrontieren uns mit dem vielfach strapazierten Begriff des „Multikulturellen“ und thematisieren eine Gesellschaft, in der das Fremde als potenzielle Bedrohung angesehen wird. Das Anderssein bedeutet dabei nicht immer bereichernde Vielfalt, sondern gefährlichen Wettbewerb. Die Fotoarbeiten von Lukas Maximilian Hüller aus der Serie 180 degrees West – 180 degrees East, die Handschachteln von  Barbara Graf, die aus der Schweiz kommt, und mit einem aus Kairo stammenden Künstler verheiratet ist und ebenso wie Canan Dagdelen, die in Istanbul geboren wurde in Wien studierte, Beide sind stets mit den Erfahrung aus höchst unterschiedlichen Kulturen konfrontiert und auch mit den zwischen diesen Gesellschaften. Das Wort Heimat in den Fotoarbeiten Homelike, fotografiert in Wien von Canan Dagdelen bekommt dabei eine vollkommen  andere Konnotation, was bdt. Heimat für diese am Foto zu sehenden Frauen. Sini Coreths, die viele Jahre im arabischen Raum gelebt hat, zeigt in ihrer  Videoarbeit on the way to ebenfalls in einer steten Überblendung der Bilder die Welt zweier unterschiedlicher Kulturen. Ihre Fotoarbeit Doom konfrontiert uns mit dem Blick jener Kinder, deren Heimat durch Kriege zerstört wurde, während diese für uns nur eine Eintragung in den täglichen News sind, bedeuten sie in ihrer Heimat die unmittelbare Realität.

Der Blick des reisenden Künstlers bewegt sich weit ab von touristischen Seh- und Reisegewohnheiten und schließt ein zielgerichtetes, vereinnahmendes Herangehen an das Fremde aus. Doch allein in der Auswahl der Motive manifestiert sich ein anderer Kulturkreis, wird die  Darstellung zu einem spezifischen Ausdruck von Gesellschaften und ihrer Identität, Beispiele dafür sind neben den bereits genannten auch Gernot Fischer-Kondratovitch, (seine Bilderserie zeigt St. Petersburg) Eva Wagner, Jochen Traar, Judith Baum  und auch Richard Kaplenig. Eva Wagners Arbeiten die sie hier sehen, entstanden während eines längeren Aufenthaltes im Sengal, Dakar en passant nennt sie die Serie und nennt damit gleich ein weiteres Motiv, dass viele der Arbeiten formal verbindet, das in Bewegung sein, das Einfangen eines ephemeren Augenblickes im statischen Medium des Tafelbildes oder der Fotografie,  In der Serie „constructing identity“ von Judith Baum eilt eine Unbekannte durch die Straßen New Yorks, überquert verschwindet zuweilen in der Masse der Passanten. Die hier ausgestellten Positionen der Malerei zeigen auch, dass die junge Generation, scheinbar unbelastet von historischen Vorgaben, die Malerei als zeitgemäßes und brauchbares Ausdrucksmittel ihrer Inhalte wieder verstärkt für sich entdeckt zu hat. Eine verstärkte Hinwendung zur Figuration kann der österr.  Zeitgenössischen Malerei nicht abgesprochen werden. Video, Film, Fotografie werden oft zum Ausgangspunkt malerischer Überlegungen. Wobei bei allen Beispielen die Malerei selbst, die Reflektion über das Medium im Vordergrund steht. So steht die Malerei, ob in einer medienimmanenten Reflektion wie bei Thomas Reinhold, Richard Kaplenig, Eric M. Kressnig über die reine Farbe oder wie bei Martin Schnur, Niclas Anatol und den bereits genannten Bsp. unter Einbeziehung figurativer Motive stets in der Dialog einer Umsetzung der Realität und der  Sinnlichkeit der Farbmaterie, in dem sie  einfach Malerei sind und dies in einer unmittelbaren, direkten Gegenwart und lassen eine Einteilung in figurativ und abstrakt als obsolet erscheinen. 

Grenzen bedeuten nicht nur Staatsgrenzen, sondern sie entstehen auch innerhalb einer Gesellschaft. Menschen, die sich dem System nicht anpassen oder innerhalb diesem nicht wie gewohnt kommunizieren können werden schnell zu Außenseitern. U.a. macht dies Sini Coreth Videoinstallation Borderline zum Thema, als auch die Fotoarbeiten von Eva Schlegel, beide Künstlerinnen arbeiten bewusst mit einer reduzierten Farbe, was die Präsenz ihrer Inhalte aber auch die Ästhetik ihrer Arbeit noch größeren Raum gibt. Schlegel Bleibilder zeigen Szenen aus dem Wiener Jugendgerichtshof und reflektieren die Thematik der Schließung des Gebäudes und der daraus resultierenden gemeinsamen Inhaftierung jugendlicher Straftäter mit Erwachsenen. Eva Schlegel, und Sini Coreth zeigen die soziale Problematik dieser aus der Gesellschaft ausgegrenzten Menschen. Seltsam sprachlos und stumm, scheinen sie die Barrieren, die zwischen ihnen liegen, nicht überwinden zu können.

Dass Sprache nicht nur Kommunikation bedeutet, sondern auch als transportables System die Unterschiede urbaner Gewohnheiten darstellen kann,  zeigt die Videoarbeit von Jochen Traar. Unter dem Label „Art Protects You“ hat Jochen Traar in drei verschiedenen Städten (Wien, Los Angeles, Venedig) Sprache im buchstäblichen und übertragenen Sinn performativ eingesetzt, um den der jeweiligen Stadt eigenen Rhythmus, der sich auch in der Art der Fortbewegung manifestiert, darzustellen. Ähnlich, die Bewegung einer urbanen Stadt aufgenommen, wie dies auch einige Beispiele der Malerei zeigen.

Mit Judith P. Fischer, Barbara Bernsteiner, Barbara Graf, Uwe Hauefels und Katarina Schmidl zeigt die Ausstellung auch Beispiele der zeitgenössischen Skulptur in Österreich. Die Positionierung eines erweiterten Skulpturenbegriffes war neben der Umsetzung formaler und konzeptueller Anliegen stets auch eine Frage des Werkstoffes.  Judith P. Fischer arbeitet mit Kunststoffmaterialien, wie Rundschnür oder hier Silikon auf Gitter. Ihre Formen, wenngleich zunächst autonom aus dem Material entwickelt, nehmen in einer Art assoziativem Verfahren Bezug auf Motive aus der Natur oder beziehen sich auf reale Körper, wie auch Katarina Schmidls Zustandsköpfe., die Künstlerin, wie um sich ihrer selbst zu versichern  nach Reisen oder besonderen Ereignissen Zustandsköpfe ihres Gesichtes an. 
Fischers computergenerierten Fotomorphings, zeigen eine Erweiterung der Skulptur im Medium der Fotografie. Charakteristisch für  Barbara Bernsteiners Installationen mit Fundobjekten, ist  das Umhüllen der Objekte und Figuren mit einer textilen Schicht aus grauer Wolle. Zumeist umhäkelt die Künstlerin Gegenstände aus ihrer unmittelbaren alltäglichen Umgebung, wobei die Bandbreite von Versatzstücken mit ambivalenten Bezügen zum Thema Heimat oder Idylle konnotiert sind.

Um die Zusammenarbeit zwischen den Institutionen in Klagenfurt und Slovenj Gradec  auch nach außen hin sichtbar zu machen, konzipierte der Künstler Tomas Hoke eine  Akustische Installation die beide Häuser erfasst. Betritt man in Klagenfurt das Gebäude löst man ein Platzkonzert mit Kärntner Volksliedern vor der Koroska Galerija in Slovenj Gradec aus und umgekehrt ertönen slowenische Lieder am Goetheplatz in Klagenfurt. Trotz unterschiedlicher Sprache klingen die Lieder nahezu gleich und lösen beim Besucher ein irritierendes Deja vu aus.

Silvie Aigner

CROSSOVER III

Koroška-Galerie der bildenden Künste, Slovenj Gradec.
Eröffnung am Freitag, den 8. September 2006, um 19 Uhr.
Die Ausstellung ist bis 8. Oktober 2006 geöffnet.

Am diesjährigen Crossover III nehmen folgende österreichische Künstler (Kuratorin: Silvie Aigner) teil: Niclas Anatol, Judith Baum, Barbara Bernsteiner, Sini Coreth, Canan Dagdelen, Judith P. Fischer, Barbara Graf, Uwe Hauenfels, Tomas Hoke, Lukas Maximilian Hüller, Richard Kaplenig, Gernot Fischer-Kondratovitch, Eric M. Kressnig, Thomas Reinhold, Eva Schlegel, Katarina Schmidl, Martin Schnur, Jochen Traar und Eva Wagner.

Die slowenischen Künstler (Kurator: Jernej Kožar) präsentieren sich vom 30. Oktober bis 30. November 2006 im Künstlerhaus, Klagenfurt. Es sind dies Peter Hergold, Ciril Horjak, Barbara Jakše-Jeršiè, Stane Jeršiè, Dušan Fišer, Tomo Jeseniènik, Lojze Logar, Štefan Marflak, Luka Popiè, Mirko Rajnar, Naca Rojnik, Nataša Skušek, Mladen Stropnik, Sašo Vrabiè und David Zadravec.

Das Ausstellungsprojekt Crossover (eine Initiative des Kunstvereins Kärnten), das von 2004 bis 2006 zeitgenössische Kunst in Österreich (mit Schwerpunkt auf Kärntner Künstlern) und Slowenien präsentierte und in verschiedenen slowenischen und österreichischen Galerien gezeigt wurde und Künstler und deren Projekte in einem verwandten Kulturraum mit gemeinsamen historischen Erfahrungen und Divergenzen zusammenführte, geht heuer in Slovenj Gradec und Klagenfurt zu Ende. Das in seinen Methoden innovative und neuartige Projekt stellte eine willkommene Ergänzung im Angebot der Ausstellungen und diversen Events dar, die unter dem Patronat moderner Kunst stattfinden.
Die Tatsache, dass es von einem Kunstverein und nicht von Institutionen wie Galerien, Museen und sonstigen Kunstzentren initiiert wurde, die über die zeitgenössische Kunstproduktion wachen, die Künstler und Artefakte auswählen und die gesetzten Ziele der Kuratoren kanalisieren, verlieh dem Projekt das Attribut des Besonderen. Solcherart gestaltete sich nämlich die übliche Praxis der Institutionen, die als Kunstindustrie fungieren. Die Künstlervereine verloren deshalb immer mehr an Aktualität, sie blieben weder von der Ära des Individualismus noch von den Kunstmessen verschont, die die Trends und die Namen der künftigen internationalen und nationalen Stars diktieren. Auf solchen Schauplätzen herrscht ein großes Angebot, und viele gute Künstler haben so keine Chance auf einen höheren Bekanntheitsgrad. Die Museen und Galerien betreten die Szene erst dann, wenn die Kunsttrends schon definiert sind und die Wertskala schon bekannt ist und ihre Sammlungen erst auf einer Art „Ausverkäufen“ ergänzt werden können. Dies bedeutet natürlich nicht, dass sie schlechte Ware erwerben, Qualität hängt ja nicht mit dem Ruf eines Künstlers und mit hohen Preisen zusammen, vor allem wenn es sich um gute Künstler aus weniger bekannten nationalen und regionalen Räumen handelt.
Seit dem 20. Jahrhundert, als begonnen wurde, den Marktwert der künstlerischen Exponate und Events öffentlich in den Mittelpunkt zu rücken (mehr als in allen früheren Jahrhunderten der Entwicklung der westeuropäischen Kultur), nachdem im ausgehenden 19. Jahrhundert die Künstler zusammen mit den Kunsthändlern ihre Artefakte zum Kauf angeboten hatten und auch deren Mäzene zu bewussten Begleitern avanciert waren, führte die Art und Weise und die Bestimmung des Wertes dieser Produktion zur gegenwärtigen Situation. Ähnlich verlief auch der Weg der künstlerischen Präsentation – der Ausstellungen. Diese Überlegung dient nicht dem Zweck, darüber zu urteilen, ob der Weg richtig war oder nicht, sie soll nur an die Tatsache erinnern, wie wichtig früher die Kunstvereine und Künstlergruppen zur Durchsetzung der Kunstwissenschaft waren. Deshalb ist die Initiative für das gegenwärtige Projekt, die von einem Kunstverein ausging, der im kommenden Jahr schon seine 100-Jahr-Feier begeht, umso interessanter.
Vielleicht sind auch in Zukunft neue Initiativen von Seiten der Künstler und ihrer Vereinigungen zu erwarten. Werden sie versuchen, neue Methoden für den Dialog mit dem Publikum, mit den Kollegen und nicht zuletzt mit jenen zu entwickeln, die Kunstwerke auch besitzen möchten? Werden wir gegenüber den Künstlern auch in den Institutionen mehr Interesse bekunden, wo wir doch einander Lebenselixier bedeuten? Wir verfolgen nämlich die gleichen Ziele: die visuelle Kultur anzuregen, die Menschen visuell sensibel und im Kontext der gesellschaftlichen Ereignisse nachdenklich zu machen. Unsere Galerie ist jedenfalls offen für solche Anregungen. Wir sind überzeugt, dass die Ausstellungskuratoren die Rolle von Begleitern übernehmen, die den Künstlern bei der Präzisierung der Konzepte und bei den Präsentationen behilflich sind. Sie sind ihr drittes Auge und ein Vermittler zwischen der künstlerischen Arbeit und dem Publikum. Bei der gegenwärtigen Präsentation war diese Zusammenarbeit mit den Künstlern den Kuratoren Silvie Aigner und Jernej Kožar anvertraut. Deren Auswahl beweist erneut, dass wir in einer Zeit leben, wo der visuellen Kultur eine hervorragende Rolle zukommt und auch regionale Initiativen und weniger prominente Künstler an Bedeutung und Wert gewinnen.

Milena Zlatar


 

 




 

 

 

 

zadnji popravek: 12-Sep-2006 12:39

gor

ovežuje borut, od 2006