2000
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M A H L Z E I T
Bangladesch liegt imgrößten Flussdelta derWelt,
wo Padma (der untere Ganges), Jamuna (der un-
tere Brahamputra) und Meghna ins Meer fließen.
Hochwasser, Erdbeben, Dürre und Wirbelstürme
suchen das Land regelmäßig heim. Wenn noch
politischer Streit und Armut dazukommen, fällt
einem schnell das Wort »hoffnungslos« ein. Doch
die Programme von Mikrokreditgebern wie dem
Bangladesh Rural Advancement Committee
(BRAC) und der Grameen Bank sind Lichtblicke.
Sie finanzieren Projekte, die vielen armen Men-
schen, vor allem Frauen, helfen, sich selbststän-
dig zu machen und so den Lebensstandard ihrer
Familien zu heben.
BARI MAJLISH
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der beiden Milchkühe von Shahnaz Begum
im kleinen Dorf Bari Majlish im bengalischen
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Dhaka den Tag ein. Frauen balancieren auf den
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blechhütten, um Wasser aus den Dorfbrunnen
zu holen, und ein angebundenes Kalb, das un
geduldig auf seine Muttermilch wartet, gibt je
dem, der ihm zu nahe kommt, einen Kopfstoß.
Freundschaftliches Gemurmel erfüllt die
Freiluftküchen, wenn Ehefrauen und Mütter die
erste Mahlzeit des Tages bereiten und über
kleinen Gasflammen gezuckerte Kondensmilch
gleich in der Dose erhitzen, um süßen Tee zu
kochen – ein Nationalgetränk. Gleich nach
dem Frühstück machen sich diese Frauen an
ihre Erwerbsarbeit an der Nähmaschine, in win
zigen Nachbarschaftsläden und anderen
Kleingewerben, die zum Teil vom kommunalen
Mikrokreditgeber BRAC finanziert wurden.
Shahnaz’ eigene Geschäftsidee ruft: Es ist
Zeit zum Melken. Sie zieht sich den Saum
ihres orangefarbenen Saris über Kopf und
Schultern hoch und greift ein Bündel Wasser
hyazinthen, die ihr Sohn gestern gepflückt hat,
um damit die Kühe zu füttern, während sie
gemolken werden. Sie und ihre Familie trinken
die Milch nicht – ihr Mann Amzad wird sie auf
dem Markt von Sonargaon verkaufen, wo er als
Obstverkäufer arbeitet.
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eine, um gemeinsam für einzelne Mitglieder
zu bürgen. Werber für das Programm be
suchen die Familien und veranstalten Work
shops und Ausbildungsprogramme, um den
Unternehmen der Frauen zum Erfolg zu ver
helfen. Die Frauen erhalten jeweils zwischen
17000 und 20000 Taka (180 bis 213 €), die
innerhalb eines Jahres zurückzuzahlen sind.
Selbst früh am Morgen zieht der Duft von
Chilischoten durchs Dorf, die im heißen Öl in
den Woks brutzeln. Die meisten Frauen
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essen: scharfe Gemüsecurrys mit ein wenig
Fisch oder Rindfleisch. Auch Shahnaz tut das
für die Familie, doch sie selbst zieht morgens
gekaufte Kekse und süßen Tee vor.
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trie von Bari Majlish in Schwung: In fast jedem
Haus surrt eine Nähmaschine, umgeben von
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taschen hergestellt werden. Shahnaz hat ne
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schäftigt drei Frauen, die noch keinen Kredit
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