Page 184 - [Peter_Menzel,_Faith_D’Aluisio]_Mahlzeit_Auf_80(BookFi.org)

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M A H L Z E I T
Männer mit Turbanen und Djellabas kratzen
sich an Bart und Bauch und decken ihre Tassen
voll süßem Tee ab, damit kein Sand hineingerät,
während sie auf den Beginn des Handels war-
ten. Sie kommen aus noch mehr Ländern als
die Kamele, auch Saudis und Jordanier sind
hier, die meisten von ihnen Mittelsmänner.
Zwei Laster mit Kamelen aus Somalia rol-
len heran. Den Tieren sieht man die Strapa-
zen der langen Schiffsreise durchs Rote Meer
an. Immer mehr Makler und Helfer kommen
an, manche von ihnen gehen erst einmal zum
Morgengebet in die Moschee am Markt.
Saleh, der das Kamelmakeln von seinem
Vater gelernt hat, erzählt, dass der viel gewief-
ter war. Freilich ist das eine Erinnerung aus
seiner Kindheit, denn er war zwölf Jahre alt, als
sein Vater mit 42 starb. Als ältester Sohn stieg
Saleh zum Versorger auf und arbeitete auf dem
Kamelmarkt – erst als Gehilfe, später als
Schlachter und Makler. Er hat nie eine Schule
besucht und ist doch ein mit allen Wassern ge-
waschener Makler geworden, der sich durch-
setzen kann. Heute arbeitet sein Sohn mit ihm,
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studieren«, wie Saleh stolz sagt.
Sechs Männer bemühen sich ums Abladen
der Tiere aus Somalia, doch es stellt sich her-
aus, dass eines der Tiere am Ausgang des Las-
ters tot ist und das zweite sich trotz einer Tracht
Prügel nicht rühren mag. Schließlich kommt es,
am Schwanz hochgezerrt, auf die wackeligen
Beine und wankt mühsam von der Ladefläche.
Auf den Weg in den Pferch lugen die Kamele
über die Mauer ins Nachbargefängnis.
Inzwischen ist die Straße voller Kamele; die
mit Glocken behängten Leittiere führen ihre
glücklosen Artgenossen an, als der Handel be-
ginnt. Drei Kamele aus dem Sudan gehen für
12000 Ägyptische Pfund (1610 Euro) weg, der
nächste Zuschlag folgt: zwei Tiere für 9000
Pfund (1210 Euro). Ein drittes Geschäft schei-
tert, weil der Verkäufer nicht bei 5000 Pfund für
ein einziges Tier abschließen mag. Ein vier-
schrötiger Käufer bekommt von einem Makler
einen abschlussfördernden Tee spendiert.
Saleh bringt dem Einkäufer eines Schlacht-
hofs eine Orangenlimo. Ein Preis wird genannt,
dem Käufer ist er zu hoch. Der Verkäufer wird
laut. Saleh legt beiden eine Hand auf die Brust
und preist mit sanfter leiser Stimme die ausge-
mergelten Tiere an.
-ANäWIRDä LAUT äDASäGEHšRTä ZUMä2ITUAL w)CHä
schließe mit deinem Sohn ab, aber nicht mit
dir!«, schreit ein Käufer, der an seinem Preis-
limit angelangt ist. Der Preis ist zu hoch, das Ge-
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wEINMALäVERLIERSTäDU äEINMALäGEWINNSTäDU iä
Der Interessent jammert: «Auch wenn ich
es für 30 Pfund pro Kilo verkaufe, zahle ich
drauf!« Und der hartnäckige Sohn des Verkäu-
FERSä SAGT ä w$ASä SINDä UNSEREä BESTENä 4IERE ä
15000 für eines.«
Die Diskussion wird hitzig, egal ob Käufer
und Verkäufer 50 oder 1000 Pfund ausein-
ander liegen. Dann schafft Saleh den Ab-
schluss – eines von Tausenden Geschäften, die
gleichzeitig hier verhandelt werden.
Ein Käufer wirft die Arme in die Luft: zu teu-
er! Der Verkäufer packt ihn an der Schulter,
lockt mit einem günstigeren Preis. Sie fassen
einander am Arm, das Geschäft ist perfekt.
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