Page 153 - [Peter_Menzel,_Faith_D’Aluisio]_Mahlzeit_Auf_80(BookFi.org)

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Der Schreinergehilfe
Jahrhundertelang waren die amerikanischen
Ureinwohner vom Stamm der Pima selbstversor-
gende Bauern, die sich auf die Bewässerung der
Wüste verstanden. Doch die Felder der Vorfah-
ren von Louie Soto vertrockneten, als weiße Sied-
ler ihnen das Wasser abgegraben hatten. Auf die
Dürre folgten Hungersnöte, und, im Laufe der
Zeit, der Verlust der kulturellen Identität. Heute
ernähren sich ihre Nachkommen statt von den
Früchten ihrer Felder von industriellen Lebens-
mitteln mit zu viel Weißmehl, Zucker und Fett.
Unter den Pima leiden heute im Vergleich zur
Gesamtbevölkerung der USA erschreckend viele
an Fettleibigkeit, Diabetes und Alkoholismus.
Mittlerweile versucht die Gila River Indian Com-
munity mit den Mitteln der modernen Welt, die
Situation der Einwohner nachhaltig zu verbes-
sern: mit Sozialprogrammen, finanziert durch
staatliche Gelder, und den Erträgen von Casinos
und Ferienanlagen. Und auch die Landwirtschaft
soll wieder wachsen, nachdem vor Gericht Was-
serrechte erstritten wurden.
SACATON, ARIZONA
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Louie Soto liest sich wie ein Fallbeispiel für die
Probleme der Ureinwohner Amerikas seit der
Ankunft weißer Siedler aus Europa. Doch bei
genauerem Hinsehen erkennt man hier einen
Mann, der entschlossen das eigene Schicksal
in die Hand genommen hat.
»Ich fing mit 14 an zu trinken«, sagt der
heute 30-jährige Louie Soto. »Meine Eltern
waren getrennt, und wenn ich meinen Vater be-
suchte, gab er mir eine ›Forty‹«, das ist eine
1,2-Liter-Flasche mit 40 Unzen Starkbier.
Anfang 20 nahm er die Forties schon im
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schen Starkbier im Lauf einer ganztägigen Par-
ty. Später ließ sein Konsum nach. »Immer wenn
ich getrunken hatte, fuhr ich meine Autos ka-
putt«, sagt er. Seine Ernährung war genauso
außer Kontrolle geraten wie der Alkoholkon-
sum. Louies Gewicht kletterte auf 168 Kilo.
Eines Tages im Jahr 2007 »beschloss ich,
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nur für seine Frau Jourene und die beiden Kin-
der, »ich tat es für mich«. Er wollte nicht in die
Abwärtsspirale des Alkoholismus geraten wie
sein Vater – ein langer Absturz, in dem sich der
Vater noch immer befindet.
Zwei Wochen nachdem er zu trinken aufge-
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gestellt (beide Eltern sind Diabetiker). Er verlor
die Hoffnung und fing wieder an zu trinken.
Doch dann besann er sich auf seine Verantwor-
tung als Vater: »Die Diagnose war ein Schock
für mich. Aber ich wollte erleben, wie meine
Kinder aufwachsen, und für sie da sein – und
nicht im Krankenhaus liegen oder an der Dia-
lyse hängen«, sagt Louie.
Vor der Diagnose aß er zum Frühstück sechs
Sandwichs mit Spiegelei, Würstchen und Käse,
und seine übrigen Mahlzeiten waren ebenso
üppig. Zwischendurch aß er drei Schokoriegel
und zwei Tüten Chips und trank reichlich Soft-
drinks. Und als Appetithappen vor dem Abend-
essen knabberte er reichlich Kartoffelchips.
Die Ärzte sagten ihm, dass er abnehmen
müsse. Er machte einen Kurs für bewusste Er-
nährung mit abgemessenen Portionen, stemm-
te Gewichte und ging spazieren, wechselte zu
zuckerfreien Getränken und Süßigkeiten. Inner-
halb eines Jahres nahm er 30 Kilo ab. Früher aß
die Familie kaum Gemüse. Tut sie es jetzt? »Wir
haben es versucht«, sagt Louie, »doch es war
halt teurer … Und jetzt essen wir wieder ›norma-
le Sachen‹.« Tiefkühl-Pizzen und schnell zuberei-
tete Sachen spielen erneut die Hauptrolle, aber
Louies Portionen sind jetzt deutlich kleiner.
FRÜHSTÜCK
Eier (4), 213 g, gebraten mit Butter, 1 EL
s
Cheddarkäse, 37 g
s
Frühstücksspeck, 40 g (Rohgewicht)
s
Kaffee mit Pulverweißer, 1 l
MITTAGESSEN
Single-Pizza mit dreierlei Fleisch, 155 g
ABENDESSEN
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s
Weizenbrot, 105 g
ZWISCHENDURCH
Salz, zu jedem Essen, 1,5 TL
s
gesalzene Trockenpflaumen (nicht im Bild), 28 g
zuckerfreie Softdrinks (4), 580 ml
s
Wasser aus Flaschen, 5,7 l
KALORIEN
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Louie Soto, Schreiner und Tätowierer, zählt Pima, Tohono O’odham, Mohikaner, Ottawa-Indianer und
Mexikaner zu seinen Vorfahren. Auch er präsentiert in seinem Haus eine typische Tagesration an Lebensmitteln
(links). Louies Kinder mit ihrem Pitbull vor dem neuen, von der Gemeinde durch Casinoerträge finanzierten Haus
USA
EINE TAGESRATION
IM MAI