dr Oskar Moser, A
WENDEZEITEN VERNAKULARER ARCHITEKTUR
Die ethnographische Hausforschung war lange Zeit hindurch der Masse vernakularer Architektur weitgehend historisch gegenubergestanden. Sie behalf sich daher in ihren Zuweisungen und Herkunftsversuchen entweder mit fragwurdigen ethnischen Weitbezugen oder mit spekulativ evolutionistischen Ableitungen. Je mehr Material dazu jedoch erarbeitet und aufgenommen wurde, desto brenneder wurden Altersfragen und machte sich dabei eine Historisierung deselben geltend, wobei freilich die Hilfe der Stilgeschichte in der Hocharchitektur aus naheligende Grunde nur begrenzt, wenn uberhaupt, nutzen konnte. Wo jedoch Einzeldatierungen vorkamen oder nach neuren naturwiss. Methoden moglich wurden, blieben sie meist isoliert und daher nur schwer auswertbar.
Inzwischen haben veregleichende Kulturwissenschaften wie Archaologije, Ethnologie, Anthropologie u.a. auch fur die popularen Kulturen z. B. des Mittelalters und der Neuzeit bestimmte Gezeiten allgemein-kultureller Entwicklung namentlich fur West - und Mitteleuropa herausgearbeitet, nach denen sich bestimmte Grundfakten und Entwicklungstendenzen auch in der Baukultur ermitteln lassen. Es hat ausser Zweifel entscheidende Wende - und Schwellzeiten auch in der baulichen Entwicklung gerade im vernakularen Bereich gegeben; diese wiederum haben langere oder kurzere ruhigere Phasen abgelost, so das sich aus den verschiedensten ausseren und inneren Anstossen heraus auch bestimmte Zeitschichten des Bauens, Wohnens und Wirtschaftens in den verschiednen Regionen und off fur lange Jahrhuderte fixiert haben. Wenn wir also nach solchen Wendezeiten und Epochen unserer Kulturentwicklung mit Umsicht und Fachverstandnis fragen, so kann uns damit eine weitere wesentliche Hilfe fur die Beurteilung auch der landlichen Baukultur zuwachsen und zugleich als Richtschnur fur die historische Bauforschung dienen.