BOGDAN BORÈIÆ -
GRAFIKE/ PRINTS
retrospektivna razstava/
retrospective
katalog/
catalogue
Milena
Zlatar
Vorwort
In
der Galerie der bildenden Kunst in Slovenj Gradec wird im Juni 1999 eine große
retrospektive Graphikausstellung des akademischen Malers Bogdan Borèiæ
eröffnet. Terminmäßig wurde sie in den Rahmen der 23. internationalen
graphischen Biennale in Ljubljana gesetzt, denn ein Spitzenkünstler der
slowenischen Graphik verdient die Darstellung seines gesamten graphischen Opus
gerade in der Zeit, wo diese rennomierte Kunstmanifestation Sloweniens
von internationalem Rang stattfindet, welche die längste Tradition hier im
Lande hat. Auch die Galerie in Slovenj Gradec ist nicht ohne alle Tradition im
Veranstalten von graphischen Ausstellungen. Zwar nicht in bestimmtem
kontinuierlichem Zeitrhythmus, doch wurde durch sie das Ausstellungsprogramm
der Galerie über 40 Jahre lang wesentlich bereichert und ein Einblick ins
künstlerische Weltgeschehen ermöglicht. Ich möchte nur die größten und
angesehensten erwähnen. Im Jahre 1970 wurde zum Beispiel die Ausstellung
"Holzschnitt in Slowenien von 1540 bis 1970" präsentiert, dann
folgten in den Jahren 1966, 1975 und 1985 internationale Kunstausstellungen,
die auch wesentlich die Graphik mit einbezogen; so wurde auch die
internationale graphische Stammsammlung durch Blätter berühmter Künstler wie
Johnny Friedlaender und Victor Vasarely bereichert. Der akademische Maler
Bogdan Borèiæ war fast auf allen vertreten, bei "Holzschnitt in Slowenien
von 1540 bis 1970" sogar mit fünf Holzschnitten aus den Jahren 1957/58.
Den
akademischen Maler Bogdan Borèiæ lernte ich persönlich in den späten 70er
Jahren in der Galerie der bildenden Kunst in Slovenj Gradec kennen. Wir sind
uns im Kabinett des Galeriedirektors Prof. Karel Peèko begegnet, der
natürlich nicht versäumte zu erwähnen, daß Borèiæ schon in Slovenj Gradec
ausgestellt hat, sogar Preisträger wurde und daß die Stammsammlung auch über
einige seiner Graphiken verfügt. Es war für mich eine große Ehre, einem
international anerkannten Künstler zu begegnen. Kurz davor sah ich ihn in der
Stadt - auf dem Hauptplatz -, ich selbst war gerade auf dem Weg zum
Galeriedirektor, um mit ihm meinen Dienstantritt in der Galerie zu besprechen.
Als Studentin der Kunstgeschichte an der Philosophischen Fakultät in
Ljubljana fand ich Borèiæs Graphiken besonders interessant und war von ihnen
begeistert, denn in den 70er Jahren war die slowenische Kunstszene durch
Spitzenschöpfungen dieser Kunstart geprägt. Tonangebend war die Moderne Galerie
in Ljubljana, die Veranstalterin der im In- und Ausland angesehenen
internationalen graphischen Biennalen. Damit setzten die Initiatoren der
unmittelbaren Konfrontationen der heimischen und ausländischen graphischen
Bemühungen im Jahre 1955 die Stadt Ljubljana auf die Weltkarte bedeutender
internationaler graphischer Ausstellungen. Zugleich mit den Ausstellungen der
Pioniere der modernen slowenischen Graphik, wie Božidar Jakac, Riko Debenjak,
Miha Maleš, France Miheliè, Marij Pregelj, Veno Pilon und andere, haben auch
die im Ausland schaffenden Lojze Spacal und Zoran Mušiè eine bedeutende Rolle
gespielt; beide haben nämlich ständig europäische Muster nach Slowenien
gebracht; der letzterwähnte pflegte auch einen unmittelbaren Kontakt mit der
Pariser Schule. Die vorzügliche Schulung daheim, Aufgabe der Akademie für
Bildende Kunst in Ljubljana, bescherte eine große Zahl in Slowenien lebender
hervorragender Graphiker. Als erste traten Marjan Pogaènik und Karel
Zelenko hervor, später auch viele andere; um das Jahr 1960 herum konnte man
schon von einer Ljubljanaer graphischen Schule sprechen, zu deren
bedeutenden Vertretern auch Bogdan Borèiæ zählte. Junge Künstler erhielten nach
dem Jahr 1950 die Möglichkeit, sich im Ausland, vor allem in Paris,
weiterzubilden. An der bekannten graphischen Schule von Johnny Friedlaender hat
auch Bogdan Borèiæ sein Können abgerundet, vor allem durch die ausgefeilte
Technik von Radierung und Aquatinta, wie sie der berühmte Meister pflegte.
Später
nach dem Abgang von Riko Debenjak wurde Bogdan Borèiæ auch selbst Professor an
der graphischen Abteilung der Akademie für Bildende Kunst in Ljubljana und hat
so sein Können und seine Erfahrungen auf jüngere Generationen übertragen. Als
Lehrer war er besonders als Spitzenkenner von graphischen Techniken bekannt,
vor allem des Hoch- und Tiefdrucks, bei den Studenten war er beliebt
wegen seiner Zugänglichkeit und freunschaftlichen Beziehung. Davon haben mir
Freunde - Studenten der Akademie - erzählt (Borèiæ unterrichtete graphische
Techniken von 1973 bis 1984), die auch selbst die magische Welt der Graphik
entdecken wollten und so begegneten wir uns mehrmals in Ateliers und auf
Ausstellungen. Weniger gesprächig war Kollegin Barbara Borèiæ, die Tochter des
Künstlers, die auch Kunstgeschichte studierte und vor Kollegen nie hervorhob,
daß sie aus einer bekannten Künstlerfamilie stammte. Viel später habe ich
erkannt, wie bedeutend die Bindung zwischen Vater und Tochter war, denn gerade
sie verfaßte später über ihn eine Reihe gewichtiger Fachtexte und gerade zur
Zeit der Retrospektive des Künstlers in Slovenj Gradec entsteht eine
Monographie über das Leben und Werk von Bogdan Borèiæ, die ihre gemeinsame
Arbeit darstellt - auch im fachlichen und essayistischen Sinne.
Wie
durch Zufall begann gerade ich 20 Jahre später - von unserer ersten persönlichen
Begegnung in der Galerie von Slovenj Gradec im Jahre 1978 an gerechnet - eine
retrospektive Ausstellung von Borèiæs Graphiken zu planen. In der Galerie der
bildenden Kunst wurde ein Inventarverzeichnis seines gesamten graphischen Opus
aufgestellt und seine Ausstellungen und Bibliographie verfolgt. Der Künstler
und ich - wir beide kamen fast gleichzeitig nach Slovenj Gradec. Ich hatte
immer großen Respekt vor ihm und als junge Kustodin Lampenfieber, immer wenn
das Gespräch sich den Graphiken und graphischen Techniken zuwandte. Zugleich
aber war er mir und meinen Kollegen ein Lehrer des Weltbürgertums und der
Konsequenz, was die Fragen auf dem Gebiet der bildenden Kunst betraf, vor allem
der Graphik. Ich erinnere mich daran, wie ich zum ersten Mal beim Aufstellen
einer Graphikausstellung teilnahm; mit zitternder Hand erfaßte ich die Graphik,
nahm sie aus der Mappe, denn dabei beobachtete mich gerade der Autor und der
war niemand anderer als der Meister Božidar Jakac selbst. "Nun, das haben
Sie gut gemacht!", brummelte er. Im Frühling dieses Jahres, als ich mit
Prof. Borèiæ den Direktor der Internationalen graphischen Biennale Dr. Zoran
Kržišnik besuchte, wurde dieses Ereignis in meinem Gedächtnis wieder wach. Bei
dieser Gelegenheit brachte Borèiæ auch Graphiken für die 23. Graphische
Biennale mit, an der er auch in diesem Jahr teilnehmen wird, so wie er an allen
seit 1959 teilgenommen hat. Eine junge Kollegin nahm die Graphik entgegen
und Borèiæ zeigte ihr, wie man die Graphik halten und handhaben muß. Das war
mehr als eine Routinesache - diese Geste; es war eine respektvolle Verbeugung
vor dem Papier, das die Aufzeichnung der Gedanken des Künstlers ermöglichte. So
ist der Meister immer, wenn es sich um Graphiken handelt. Die Graphik ist für
Borèiæ nicht nur eine von den künstlerischen Techniken, sondern ein Lebensstil,
der sowohl Disziplin, Technologie- und Forschungseifer verlangt, als auch ein
Engagement des gesamten intellektuellen Potentials.
Bei
den Vorbereitungen für die retrospektive Ausstellung der Graphiken von
Bogdan Borèiæ - die in einem Zeitraum von vierzig Jahren entstanden sind -
fragten wir uns, in welchen Umfang neben den mehr als 700 Graphiken ( für die
Ausstellung wurden rund 300 Blätter ausgewählt ) auch seine Bilder und Objekte
einbezogen werden müssen, die des Künstlers einheitliche Opus abrunden. Wir
haben uns für die wenigen, jedoch wesentlichen "Interventionen"
entschlossen. Auch sonst ist die Aufstellung "zweiteilig", in
einer Reihe von sieben Räumen in dem sogenannten alten Teil der Galerie ist das
Opus bis zu den späten 70er Jahren ausgebreitet, das vor allem diese Zyklen
kennzeichnen : das Komiža-Tor, Chroniken, Fischerzeichen, Muscheln,
Überlegungen über die Muschel und Küsten, wobei sich reale Darstellungen
typischer Motive und Gegenstände der Meeresgebiete in Symbole und Zeichen
wandeln. Nur werden diese immer mehr reduziert, eingegrenzt auf die strenge
Auswahl der notwendigsten Imagination. Zwei Jahrzehnte seines graphischen Opus
sind im Saal der sogenannten neuen Galerie dargestellt. Der Raum selbst ein
typischer Produkt der Architektur am Ende der 70er Jahre, dem einige Eingriffe
( Schautafeln mit ungeschickten Rundungen ) das Flair eines
zeitgenössischen Ausstellungs-"Hangars" genommen haben. In diesem
Raum wurden also die "reinsten" Graphiken Borèiæs präsentiert. Der
Zuschauer erkennt seine typischen Motive des Lebens am Meer und der Fischer
nicht mehr, sondern muß sich auf Flächen, ihre Berührungspunkte und vor allem
ihre subtilen Farbbeziehungen konzentrieren, die gleichermaßen durch die
Gesetze der graphischen Techniken bedingt sind - Radierung, Aquatinta,
Mezzotinta - wie auch durch ihre Kombinationen. Der Minimalismus, von dem
Bogdan Borèiæ in der Malerei geprägt ist, zeigt sich auch in der Graphik.
Sofern man in den ersten zwei Jahrzehnten seines Schaffens Zeuge einer
Reduktion der Farbskala, des Übergangs schwarz-weißer graphischer
Besonderheiten auf den Bildern war, so sieht man im letzten Jahrzehnt, wie die
maltechnische Bearbeitungsweise der Oberfläche in die Graphik übergeht. Also:
aus dem Wortschatz des Graphikers entstanden schwarze Bilder, und
umgekehrt : Farbpollution, die Weichheit der Geste, die Spuren von Pinsel und
Zeichengerät gingen auf Malerart in die Graphiken über. Den Höhepunkt solcher
Übergänge stellen aber Gegenstände dar, die in den realen Raum eingreifen. Auf
diese Weise wurde wieder das gesamte Kunstwerk hergestellt, das beim Lesen
einzelner Graphikblätter, nachdem sie das Auge als Ganzes umfaßt und dann von
Blatt zu Blatt weiterwandert, ein spezielles Raumempfinden inszeniert,
das in der Wirkung der sogenannten Installation ausklingt. Damit wird die
Universalität der künstlerischen Sprache und Praxis bestätigt, deren nur
Spitzenkünstler fähig sind, ohne sich den aktuellen Trends und Inovationen der
Zeit um jeden Preis anzupassen.
Ich
muß betonen, daß das künstlerische Geschehen in Slovenj Gradec neue Dimensionen
bekam, seit Bogdan Borèiæ Ende der 70er Jahre in die Stadt übersiedelte. Das
künstlerische Publikum, das durch die Ausstellungen in der Galerie erzogen
wurde, hat neben Borèiæ eine neue Räson bekommen, offener für pure
künstlerische Ästhetik zu werden. Als Künstler mit einer Stadt und deren
Einwohnern zu leben, die sich untereinander fast alle gut kennen, und dabei
Weltbürger zu bleiben scheint nicht immer leicht zu sein. Das hat auch Karel
Peèko, der Begründer der Galerie in Slovenj Gradec, zu spüren bekommen. Man
kann sich isolieren, erhaben in seinem Atelier verweilen oder sich das
Pulsieren des Milieus zunutze machen. Zwei Jahrzehnte lang haben in
Slovenj Gradec drei Maler mit ihren gesellschaftlichen Beziehungen eine
gelungene Synthese geschaffen - gänzlich verschiedene Persönlichkeiten,
generationsmäßig einander nahe, aber jeder mit seiner eigenen
Lebensgeschichte, doch mit völlig unvergleichbarem künstlerischem Credo. Das
sind: Karel Peèko, Bogdan Borèiæ und Jože Tisnikar (1928- l998); der erste ein
Poet und ewiger Träumer des Kärntnerlandes, der zweite ein Rationalist, der
dritte aber ein Mystiker in jenem schwermütigen Kärntner Charakter befangen,
der dem Expressionismus nahe ist. Jeder der drei hat junge Künstler um sich
herum versammelt, war ihnen auf gewise Weise Muster und Freund. Vor allem war
Borèiæ den jungen Künstlern immer zugänglich: er bewahrte die
Selbstlosigkeit eines wahren Lehrers, ob es um völlig fachliche Fragen und das
Vermitteln von Erfahrungen eines älteren Kollegen ging oder um sein Urteil über
ihr Schaffen. Jeder, der ihn um seine Meinung fragt, wird zum Teilhaber seines
Lobes und seiner Kritik, dabei kennt er keine Verstellung und keine Ausreden.
Eine solch unmittelbare Art erwartet er auch von seinen Kollegen und allen, die
in seine Welt eintreten und besonders - symbolisch - in sein Atelier, das in
letzter Zeit zu einer Obsession wurde und zu einer Büchse von Pandora an
Lebensweisheiten: es entstand eine Serie von Bildern und Graphiken
"Aus dem Atelier".