Marko Uršič

Das Höhlengleichnis

Transzendenz in Platonismus und Christentum

 

Das Höhlengleichnis erschließt das Jenseits. Mit Platons Ideenwelt erstreckt sich vor dem Auge des Geistes ein bislang unbekannter, vor allem aber unartikulierter Horizont, topos, mit dem sich erst die Möglichkeit nicht nur des philosophischen Idealismus, sondern auch der christlichen Auferstehung und der Seligwerdung im Himmel eröffnet. Die bei Platon eröffnete »Geisteslandschaft« – d.h. die Transzendenz in der Beziehung zur direkten Gegenwart der Welt, zur Immanenz – war davor, im vorplatonischen griechischen Denken, noch nicht entdeckt gewesen (nicht einmal als Abwesenheit), denn die Welt umfaßte ein einheitliches, wenn auch in sich gegliedertes Gebiet von Beziehungen, des von Heim und Heiligtum bis zu Olymp und Hades reichte. Obwohl die griechischen Götter »Unsterbliche« waren, bewohnten sie den Kosmos auf den Menschen verwandte Weise: Poseidon und Kirke hausten im selben Bereich wie Odysseus und Achilleus, die beiden letzteren im selben wie Perikles und Sokrates. Doch mit Platon änderte sich alles: »der Wahrheit Feld« (to aletheias pedion, vgl. Phaidros 248bc; Sämtliche Werke Bd. 4, 29) trennte sich von der Welt ab, und über dem weiten Himmelszelt, über den bekannten Sternen des Mittelmeerraums erschloß sich »der überhimmlische Ort« (topos hyperouranios, ibid. 247c; Sämtliche Werke Bd. 4, 29). Diese Aufteilung der Ebene in ein Diesseits und ein Jenseits, in die Immanenz der vergänglichen Welt und die Transzendenz der Unvergänglichkeit, ist wesentlich für das Verständnis des platonischen Gleichnisses. Über diese große Spaltung kann hier, in der Welt, nur im Gleichnis gesprochen werden, das mit seiner analogischen Offenheit möglich macht, daß wir uns an das jenseitige Licht schon diesseits »erinnern« und aus dem Gefangensein in der Höhle erwachen. Am Punkt des Heraustretens (wenn sich die Augen an die unirdische Helligkeit gewöhnen) ist zunächst nicht ersichtlich, wie der jenseitige topos ist, sondern nur, daß er ist.

Topologie

Die klassische Interpretation des Gleichnisses gibt Platon selbst in der direkten Fortsetzung wieder, wenn der Lehrer Sokrates Glaukon erläutert:

»Dieses ganze Bild nun, sagte ich, lieber Glaukon, mußt du mit dem früher Gesagten verbinden, die durch das Gesicht uns erscheinende Region der Wohnung im Gefängnisse gleichsetzen und den Schein von dem Feuer darin der Kraft der Sonne; und wenn du nun das Hinaufsteigen und die Beschauung der oberen Dinge setzt als den Aufschwung der Seele in die Region der Erkenntnis, so wird dir nicht entgehen, was mein Glaube ist, da du doch dieses zu wissen begehrst. Gott mag wissen, ob er richtig ist; was ich wenigstens sehe, das sehe ich so, daß zuletzt unter allem Erkennbaren und nur mit Mühe die Idee des Guten erblickt wird, wenn man sie aber erblickt hat, sie auch gleich dafür anerkannt wird, daß sie für alle die Ursache alles Richtigen und Schönen ist, im Sichtbaren das Licht und die Sonne, von der dieses abhängt, erzeugend, im Erkennbaren aber sie allein als Herrscherin Wahrheit und Vernunft hervorbringend, und daß also diese sehen muß, wer vernünftig handeln will, es sei nun in eigenen oder in öffentlichen Angelegenheiten.« (Politeia 517bc; Sämtliche Werke Bd. III, 226)[1]

Der Weg aus der Höhle ist der Prozeß wahren Erkennens, der philosophischen Erweckung, der die Unterscheidung zwischen Gebildeten und Ungebildeten vorzeichnet. Unterschiedliche Interpretationen des Höhlengleichnisses stimmen in der Feststellung überein, daß die Seelenwanderung in die Gedankenwelt und die Rückkehr des Erweckten zurück in die Höhle, um seinen Mitgefangenen zur Freiheit zu verhelfen, einen Kreis beschreiben, in dem Beginn und Ende eins sind. Die kreisförmige Seelenwanderung durch verschiedene Schichten des Seienden kann in vier aufeinanderfolgende Stufen unterteilt werden: 1. das Eingeschlossensein in der Höhle, in der unterirdischen Schattenwelt, wo die Menschen von Kindheit an gefesselt an Hals und Schenkeln sind; 2. das Abnehmen der Fesseln, »wenn einer entfesselt wäre und gezwungen würde, sogleich aufzustehen, den Hals herumzudrehen, zu gehen und gegen das Licht zu sehn«; 3. der Aufstieg aus der Höhle, »wenn der Erweckte ans Sonnenlicht kommt und die Augen voll Strahlen hat, zuletzt kann er aber, im Zenit der Erkenntnis stehend, auch die Sonne selbst, nicht Bilder von ihr im Wasser oder anderwärts, sondern sie als sie selbst an ihrer eigenen Stelle anzusehen und zu betrachten imstande sein«; 4. der Weg nach unten, »wenn ein solcher Mensch nun wieder hinunterstiege in die unterirdische Höhle an seinen alten Platz, wo ihn seine ehemaligen Mitgefangenen, wenn er sie versuchte zu befreien und in die obere Welt hinaufzubringen, wohl noch umbringen würden« (Politeia 514 ... 517). Was auch gar nicht so ungewöhnlich ist, denn vom Standpunkt der Schattenwelt ist es schwer, sich eine schlimmere Verachtung der Weltlichkeit auszumalen als die Vorstellung, daß diese Welt eine gewaltige dunkle Höhle ist, aus der man sich befreien muß. Diese Vorstellung (und auch dieses Gefühl) will ich in der Fortsetzung weiter erläutern, zunächst aber wollen wir bei der Struktur und der Art und Weise verweilen, wie das Höhlengleichnis zu lesen ist.

Das Höhlengleichnis bezieht sich auf drei Ebenen des Seienden: 1. die imaginäre Welt (die Schatten an der Höhlenwand), 2. die »reale« Welt der Sinnesgegenstände (die Dinge in der Höhle, die Schatten werfen) und 3. die Welt der Ideen (die im Höhlengleichnis außerhalb der Höhle als die oberen Dinge, z.B. ein Baum, ein Haus, ein Berg, ein Stern etc. in Erscheinung tritt). Das Feuer in der Höhle erleuchtet bzw. ermöglicht die erste Ebene, die Sonne, die über die ganze sichtbare Welt herrscht und alles begonnen hat, was zu sehen ist, bringt die zweite hervor, die dritte Ebene ist erleutet bzw. erkennbar durch die Idee des Guten – doch von ihr kann nicht gesagt werden, sie sei in demselben Sinne existent wie Feuer und Sonne, sondern sie »durchdringt« die jenseitige Welt der Ideen höchstens per analogiam mit der Sonne in der sichtbaren Welt. »Dieses also, was dem Erkennbaren die Wahrheit mitteilt und dem Erkennenden das Vermögen hergibt, sage, sei die Idee des Guten.« (Politeia 508e, Sämtliche Werke Bd. 3, 196). Erkenntnis ist möglich aufgrund der Teilhaftigkeit der Dinge an den Ideen, und der Ideen an der höchsten Idee, der Idee des Guten. Das Gute ist bei Platon primär im ontologischen und erkenntnistheoretischen und erst sekundär im ethischen Sinne gemeint. Auf der anderen Seite eröffnet gerade die Tugend dem Erkennenden den Weg zur wahren Erkenntnis.

Das Höhlengleichnis eröffnet die Rede von der Transzendenz: der jenseitige topos wird so gestaltet, daß er die Beziehung zwischen der ersten und der zweiten Ebene auf das Verhältnis zwischen der zweiten und der dritten Ebene überträgt. Die dritte Ebene kann man nämlich, wie Platon feststellt, nicht mit körperlichen Augen sehen: »Und von jenem vielen sagen wir, daß es gesehen werde, aber nicht gedacht; von den Ideen hingegen, daß sie gedacht werden, aber nicht gesehen.« (Politeia 507b, Sämtliche Werke Bd. 3, 219). Das Höhlengleichnis ist eine Übertragung (Metapher) der vorstellbaren Beziehungen in eine bloß denkbare »Projektion« ins Jenseits – bei Platon in die Welt der Ideen. Obwohl im Höhlengleichnis klar und deutlich drei Ebenen des Seienden auftreten, existieren realiter nur deren zwei: »Also diese beiden Arten hast du nun, das Denkbare und das Sichtbare« (Politeia 509d, Sämtliche Werke Bd.3, 221). Doch wohin ist die Höhle verschwunden, die Schattenwelt, welche das Feuer der Einbildungskraft erzeugt? Ist sie in dieser realiter zweischichtigen Stratifikation des Seienden völlig reduziert auf die sichtbare Welt, auf ihr besonderes Segment? Eine solche Erklärung scheint aus einer rationalistischen Perspektive akzeptabel (die in der Entwicklung der griechischen Philosophie paradoxerweise mit dem Verliebten Sokrates und dem Mythenschmied Platon ihren Anfang nimmt). Doch mit einer solchen Reduktion des Höhlengleichnisses läuft man leicht Gefahr, etwas Wesentliches zu übersehen: Die »Projektion« des diesseitigen topos (und chronos) ins Jenseits, die »Übertragung« (Meta-pher), die im mythischen und/oder poetischen Diskurs ermöglicht, im Diesseits die Umrisse der jenseitigen Horizonte zu erblicken. Denn wenn nur zwei Ebenen übrigbleiben, die Dinge diesseits und die Ideen jenseits, kann das Verhältnis zwischen ihnen nur als abstraktes »Teilhaftigsein« (methexis) der Dinge an den Ideen postuliert werden – während sich der Isomorphismus, der sich zwischen den Schatten und den Gegenständen als metaphorisch auf das Verhältnis zwischen dem sichtbaren Kosmos und dem überhimmlischen Ort übertragen abzeichnet, verliert. Dann beherrscht der Begriff (die Idee) wirklich die Anschauung, der sich mit dieser Reduktion »reinigt« und zugleich leert. In diesem Sinne trifft Heideggers Feststellung zu, daß die Idee mit dem platonistischen Idealismus über die Unverborgenheit (aletheia) »zu herrschen beginnt«, wobei die Reduktion der Trias <Einbildungskraft-Sinnenerfahrung-Vernunft> gegenüber der Zweiergruppe <Sinnenerfahrung-Vernunft>, die mit der Reduktion des Mythos zum Logos korreliert (genauer: zu logoi, d.h. Ideen und/oder Worten im aristotelischen Sinne), den rationalistischen Diskurs einleitet, die Philosophie dagegen bleibt eine Wissenschaft »vom Seienden als Seienden« im Sinne der aristotelischen Definition der »ersten Philosophie«, aus der Heidegger seinen Gedanken von der Metaphysik als Seinsver­gessenheit ableitet. Der Schlüssel zu einem anderen Verständnis Platons (was ihn wesentlich von Aristoteles unterscheidet) liegt in der Erkenntnis, daß Platons Mythen und Gleichnisse – ganz besonders das Höhlengleichnis – nicht nur propädeutische Geschichtlein sind, irgendwelche Allegorien, deren Hauptzweck darin liegt, einem Lehrer konkrete Beispiele an die Hand zu geben, die es ihm ermöglichen, dem Schüler eine abstrakte (Ideen-) Wahrheit näherzubringen. Das Höhlengleichnis spricht nämlich auch als Phantasie- oder Kunstdiskurs und/oder mythenbildender Diskurs für sich selbst. Es muß auch unmittelbar und nicht nur als Gelegenheitsgewandung des Begriffskerns verstanden werden, und man muß sich die Frage nach der Unverborgenheit dessen stellen, was uns das Höhlengleichnis unmittelbar zeigt: das nämlich, daß unsere Welt, der ganze sichtbare und sinnenhaft erfahrbare Kosmos ­eine Höhle ist!?

Platon schreibt in seiner Auslegung des Höhlengleichnisses: »[...] die durch das Gesicht uns erscheinende Region [mußt du] der Wohnung im Gefängnisse gleichsetzen und den Schein von dem Feuer darin der Kraft der Sonne« (Politeia 517b; Sämtliche Werke Bd. 3, 226). Der Vergleich der Welt mit einem Gefängnis, einer gewaltigen düsteren Höhle, ist faszinierend, wenn wir ihn prima facie verstehen: als topologischen Isomorphismus zwischen der sichtbaren Welt (d.h. dem ganzen sinnenhaft erfahrbaren Kosmos) und dem Gefängnis (der Höhle). Unsere Sonne, strahlend und blendend, wird in einem so verstandenen Beziehungsbereich zum Feuer in der Höhle, das Schatten erzeugt! Vielleicht wird jemand bei einer solchen Interpretation des Höhlengleichnis anmerken, daß hier ein wesentliches Wörtchen vergessen wurde – nämlich das Wörtchen wie: die sichtbare Welt ist wie eine Höhle, die Sonne ist wie ein Feuer in ihr usw., ist gleichnishaft gemeint, doch man muß sich weiter fragen, welches Bild sich für den Vergleich anbietet. Welchen topologischen Inhalt hat der Vergleich, jener gemeinsame (isomorphe) Nenner, der das Abbild zwischen sichtbarer Welt und Höhle, zwischen dem Himmel und der Decke der Höhle, zwischen der Sonne und dem Feuer in der Höhle erst möglich macht? Oder, um die Frage anders zu stellen – was ist der Unterschied zwischen den Bedeutungen der Sätze:

(a) Die Welt ist eine (gewaltige) Höhle.

(b) Die Welt ist wie eine (gewaltige) Höhle.

Vom Standpunkt der formalen Logik geht es bei (a) um eine Prädikation oder sogar Identität, bei (b) dagegen nur um eine Analogie, die natürlich eine schwächere semantische Verbindung als (a) darstellt, doch die rein formale Analyse reicht zur Auslegung des Höhlengleichnisses nicht aus. Betrachten wir z.B. den Satz:

(b') Die Welt ist wie ein (gewaltiges) Tier.

Vom formalen Standpunkt her ist dieser Satz gleich wie Satz (b), doch wenn er in der Funktion eines Gleichnisses auftritt, symbolisiert (b') inhaltlich etwas völlig anderes – die Konnotation mit dem Vergleich der Welt mit einem (gewaltigen) Tier ist die Lebendigkeit der Welt, das »organische Ganze« usw., wovon in (b) überhaupt nicht die Rede ist; auf der anderen Seite konnotiert (b) die (Ab-)Geschlossenheit (Endlichkeit) der Welt, das Gefangensein des Menschen in ihr usw., was wir bei (b') nicht entdecken, jedenfalls nicht als eine offensichtliche Bedeutung. Zusammenfassend läßt sich sagen: Damit eine Analogie in der Funktion eines Gleichnisses auftreten könnte, müßten beide Analoga gemeinsame (essentielle und nicht nur kontingente) Wesensmerkmale aufweisen – im Höhlengleichnis ist der Welt und der Höhle ein isomorpher, strukturierter Topos gemeinsam: ein verschlossener, abgesperrter und endlicher Raum mit einem Ausgang, der sich irgendwo oben befindet.

Angesichts dieser Überlegung dürfte der Unterschied zwischen (a) und (b) deutlich geringer sein als bei dem bloß formalen Vergleich; die Konjunktion »wie« verbindet zwei isomorphe topologische Strukturen auf zwei Ebenen des Seienden. Wenn man nun im Höhlengleichnis noch eine dritte Ebene hinzunähme, nämlich Platons Ideenwelt, der topos hyperouranios, oder wenn man noch weiter ginge und den überhimmlischen Ort mit dem Himmel des Christentums (dem »Königreich des Himmels«) in Verbindung bringen wollte, der sich jenseits, noch über der höchsten Sphäre des Himmelszelts, jenseits des »Fixsternhimmels« erhebt, dann wird die topologische Struktur auf diese dritte, transzendente Ebene übertragen, wo die Idee des Guten (d.h. die höchste Idee, in der christlichen Theologie Gott) die gesamte Transzendenz (die Welt der Ideen bzw. den christlichen Himmel) »durchdringt«, wie die Sonne unsere sichtbare Welt durchdringt.

Ein Philosoph kann sich nur schwer der Frage entziehen: Ist das Höhlengleichnis nun auf dieser dritten Ebene abgeschlossen, oder kann man es noch auf eine vierte Ebene übertragen und so weiter ad infinitum? Meine Antwort lautet: Das Höhlen­gleichnis, wie ich es hier verstehe, ist auf der dritten Ebene abgeschlossen, und zwar deshalb, weil für sie eine gewisse An-schaulichkeit kennzeichnend ist, die jeweils die niedrigere Ebene der nächsthöheren »verschafft«, das heißt, die erste der zweiten und die zweite der dritten, während die dritte Ebene keinen anschaulichen Ausgangspunkt für eine (hypothetische) vierte, die vierte der fünften usw. mehr bietet, denn schon die dritte Ebene ist selbst unanschaulich, übersinnlich, sie übersteigt »jede mögliche Erfahrung« und ist in der Abwesenheit nur als »Projektion« der zweiten Ebene »nach oben« anwesend. Die Obergrenze der diesseitigen Semantik des Höhlengleichnisses ist deshalb die Kantsche Begrenzung der Reichweite der Erkenntnis, die sagt, daß der Gedanke immer in der Anschauung »verankert« sein muß, denn sonst wäre er leer. Unser Sehen reicht höchstens bis zur dritten (d.h. ersten transzendenten) Ebene, und selbst zu ihr nur »wie im Spiegel« – bei Platon im Spiegel des Höhlengleichnisses. Die zweite Ebene (d.h., die Welt, in der wir leben) erweist sich für unser inneres Auge, unsere trostlose Seele und unseren heimatlosen Geist als unzulänglich, unabgeschlossen und zur Transzendenz hin offen: sie ist uns verliehen, und in ihr entdecken wir Zeichen, die über sich, jenseits des »Spiegels« hinausweisen.

Worin besteht aber nun eigentlich die Faszination der Idee, die ganze sichtbare Welt, der gesamte Kosmos – sei ein Höhle? Die Antwort auf diese Frage betrifft gerade die An-schaulichkeit des Höhlengleichnisses, in ihrer, wenn man so will, vorsokratischen (und zugleich postmodernen) Lesart, die die rationalistische Reduktion auf die Idee im Sinne der logoi zu überwinden und mit einer betonten An-schaulichkeit das Sehen/Erfühlen der Höhle zu evozieren sucht. Für den ionischen Naturphilosophen Anaximander war dieses Erste, was der Mensch im Kosmos erfährt, to apeiron, das Unendliche, aus dem »sich alle Himmel und die Welten in ihnen zusammensetzen« und das keinen Anfang und kein Ende hat. Für Heraklit ist der Kosmos (die Weltordnung) »ein ewig lebendiges Feuer, das zuweilen aufflammt, zuweilen verlöscht ...« Doch – was ist in der griechischen Geistesgeschichte geschehen, daß der Kosmos bei Platon (wie) eine gewaltige Höhle wird? Denn schließlich wölbte sich doch auch in seinen Tagen über Griechenland mit seinem Meer und seinem Festland derselbe endlose und gerade in seiner Unermeßlichkeit großartige Himmel wie einige Jahrhunderte früher, übersät mit den Tausenden von Sternen des Mittelmeerraums! Wie kam Platon auf einen so außergewöhnlichen Gedanken, die Menschen, Bewohner dieser Welt, wären in einer gewaltigen Höhle eingesperrt? Wie kam er auf das Sehen und Fühlen dieser Welt, das später die gesamte christliche Topologie des Kosmos von Augustinus, dem Aquinaten und Dante bis zu Kopernikus und Kepler beeinflußte, auf die so viele Jahrhunderte lang herrschende Vorstellung, die Erde (oder, seit Kopernikus, die Sonne) sei der Mittelpunkt eines geschlossenen und endlichen Universums, eine Vorstellung, der sich als erster der Mystiker und Extatiker Giordano Bruno widersetzte und seine Ketzerei mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen bezahlte.

Die Antwort auf diese Frage ist einerseits recht einfach, andererseits aber auch unendlich kompliziert: Platon erkannte die Höhle in der sichtbaren Welt, weil er das Licht erblickte das aus dem Jenseits leuchtete – für ihn war es das Licht der Vernunft, das ihm die Schatten der Sinnenwelt »entlarvte«. Ihm graute vor der Flüchtigkeit und Vergänglichkeit dieser Schatten, und er wandte seinen Blick zur Welt der Ideen, die sich ihm in der Erinnerung (anamnesis) als ewig, unsterblich und unveränderlich offenbarte, unbegrenzt von Höhlenwänden. Von Platons idealistischem Standpunkt aus (den später das Christentum übernahm) ist gerade das vorsokratische apeiron grauenvoll, in dem das Gesetz gilt: »Es lebt das Feuer der Erde Tod und die Luft lebt des Feuers Tod; das Wasser lebt der Luft Tod, die Erde den des Wassers.«[2] Grauenvoll ist es und für den Menschen als denkendes Lebewesen unerträglich durch die Ausweglosigkeit aus dem natürlichen Kreislauf von Tod und Wiedergeburt. Platon ist in seinem Weltempfinden im Grunde eigentlich Buddhist: Vergänglichkeit und Sterblichkeit ist Leiden, das die Seele bei ihrer »Wanderung in die Geisteswelt« überwinden muß. Platon ist natürlich auch der heidnische Vorläufer des Christentums, »Plato christianus«, ist doch der Ruf des Philosophen, der uns, die Gefangenen der Dunkelheit, aus der Höhle ruft, der Ruf eines Erlösers, der »nicht von dieser Welt ist«. Trotz dieser Nähe bleibt aber dennoch ein wesentlicher Unterschied zwischen Platon und dem Christentum (oder dem Buddhismus): Aus Platons Sicht ist diese Welt – wenn auch mit einer Höhle verglichen – angesichts der höheren Erkenntnis doch nicht so endgültig nichtig, wie sie es für die Urchristen war (oder, noch mehr, für die Buddhisten). Die Schönheit der Höhle der Welt ist für Platon die erste und unvermeidliche Stufe beim Aufsteig zur Schönheit an sich. Für den griechischen Philosophen ist die Annahme der Körperlichkeit kein (Sünden-) Fall, sondern der Beginn des erneuten Aufstiegs.

Eine wesentliche Nebenaussage des Höhlengleichnisses ist die Gefangenschaft der Seele im Körper. Die Höhle ist schon in uralten Mythen ein Gleichnis für Gebärmutter, Körper und Grab, und Einwirkungen dieser Überlieferung können auch in der christlichen Ikonographie festgestellt werden: Betlehem als Jesu Geburtsort, wird oft von der frühchristlichen Kunst bis zur Renaissance, mit einer Felsenhöhle assoziiert,[3] mit ihr ist aber auch Jesu Tod in Jerusalem verbunden, denn wir lesen in den Evangelien, Joseph von Arimathäa habe den Leichnam Jesu »vom Kreuz abgenommen, ihn in ein Leinentuch eingewickelt und in ein Felsengrab gelegt,« (Lk 23, 53). Eine Höhle ist in der christlichen Ikonographie auch die Unterwelt, der heidnische Hades wird zur Limbo, von wo aus der vom Tode erstandene Christus die Seelen der vor der christlichen Ära geborenen Gerechten befreit.[4] Eine Höhle ist auch jede christliche Kirche, in deren dunklem Innenraum ein überirdisches Licht von oben herableuchtet.

Besonders lebhaft ist mir eine alte byzantinische Kirche in dem griechischen Städtchen Arta in Erinnerung geblieben, die ich einmal auf einer Reise, die mich in meiner Jugendzeit in diese Gegend führte, zusammen mit einem Freund betrat. Die Pilgerschaft nach dem Unbekannten führte uns damals »to a temperate valley/ Wet, [...] smelling of vegetation« (T. S. Eliot),[5] einen grün spiegelnden See, an dessen Ufern eine Schafherde weidete, die sich hell vor dem Hintergrund der dunklen Berge fern am andern Ufer abhob, und weiter die lebhafte Handelsstadt Joanina, voll von schreienden Reklamen und witzigen alten Autos, und über die Steinebenen von Epiros, hier und da bewachsen von Ölhainen – bis nach Arta. In den dunklen Kirchenraum traten wir aus der blendenden Helle der Sommersonne. Einige Augenblicke, bis sich unsere Augen an das Dämmer gewöhnt hatten, standen wir vor dem Abgrund an Dunkelheit, aus dem die Flammen der Kerzen leuchteten. Aus dem Dämmer, das gerade hier unten am dichtesten war, drang das dumpfe Murmeln der Gebete an unser Ohr. Kaum sichtbare Wände, die eine enge hohe kreisrunde Halle umgaben, hatten keine Fenster, die das Tageslicht von außen ins Kircheninnere hereingelassen hätten. Es war uns, als befänden wir uns am Grunde eines tiefen Brunnens. Und als wir nach oben blickten, woher ein Widerschein des Sonnenlichtes kam, erstarrten wir beinahe vor Schreck: Oben an der Höhle, die wir betreten hatten, ganz oben über den schwarzen Wänden dieses Abgrunds erglänzte ein Antlitz, blickten uns Seine strengen und schrecklichen Augen an! Von der Kuppel, erleuchtet von hohen, für das Auge unsichtbaren Fenstern, blickte der Pantokrator herab auf den Menschen in der dunklen Höhle. Sein Anblick war schrecklich und milde zugleich, er schmiedete uns am Boden fest und rief uns gleichzeitig zu sich. Als wir uns ein wenig gefaßt und von dem Schock erholt hatten, begannen wir uns in der Kirche umzusehen. Vor den Kerzen, die die heiligen Bilder nur dürftig erleuchteten, knieten einige dunkle Gestalten, Schattengestalten, die Gebete murmelten. Es waren alte Weiblein, von denen sich eine von den Knien erhob und eine Ikone küßte, mit den Lippen den Rand des Bildes berührte und erneut niederkniete. Keiner der Schatten blickte hinauf an die Kuppel, zum Antlitz – sicher wußten alle, daß Er dort war, ewig gegenwärtig oben über den Menschen, hoch oben, jenseits der von den Kerzen geschwärzten Wände, jenseits der geschnitzten Altäre und Kerzenständer, an denen Wachstropfen wie Tränen herunterliefen. Oder hatten diese Schatten etwa vergessen, daß dieser Schreckliche und Milde, der nie untergeht, dort oben, jenseits der Höhle ist, und fanden Trost im Vergessen, im Götzendienst der Bilder, hier unten, tief im Dunkel? Wieviel Leiden!

Das ist es, sagte ich mir damals, darin liegt das Wesen des Christentums: Die Höhle und oben das Antlitz. Später sah ich noch viele christliche Kirchen, denn ich trete gerne in ihre dunkle Schönheit ein, in das Spiel von Licht und Schatten, durchsät von den Strahlen des überirdischen Lichts; das sich an den Ikonen widerspiegelt, an den Mosaiken, Gemälden, Statuen, in der tiefen Stille, die vom Klang der Gebete oder der Orgel widerhallt, und doch hat mich keine – mit der Ausnahme von Notre Dame in Chartres – mehr so erschüttert wie diese eine in Arta. Seit damals sind schon gut zwei Jahrzehnte vergangen, mein damaliger Reisegefährte machte sich später auf den Weg nach Indien, und wandte sich dem fremden Gotte Krishna zu. Ich bleibe bei Christus, im Namen dessen ich getauft bin, obgleich ich den Zweifel nicht abschütteln und die Frage nicht vergessen kann: Warum war es nur notwendig, von dem blendenden hellenischen Himmel in das Dunkel der Höhle zu treten? Wie ist das geschehen und warum? Je länger ich über Platon nachdenke, desto überzeugter bin ich, daß die Topographie Artas bereits in seinem Höhlengleichnis vorgezeichnet ist, in dem das Diesseits vom Jenseits getrennt wird, und das jenen topos geschaffen hat, in dem uns das Antlitz aus der Höhe betrachtet und auf den Boden des Abgrunds sieht – in die Höhle, die mit dem dreieinigen Ort übereinstimmt, ausgedrückt durch das Syntagma von Gebärmutter/ Körper-und-Welt/ Grab, und alle drei Zeiten des Seienden in die angstvolle und zugleich erlösende Einheit zusammenfaßt, die in meine diesseitige Erinnerung in Arta, weit entfernt und lange vergangen, eingebrannt worden war.

Chronologie

T. S. Eliot vereinigt in seinem ersten Quartet alle drei Zeiten zu einer ewigen Gegenwart: »Time present and time past/ Are both perhaps present in time future, And time future contained in time past.«[6] Die Vereinigung der drei Zeiten in eine zeitlose Präsenz bedeutet, daß die lineare Gerade der Zeit einen Kreis beschließt, d.h., daß in einer einheitlichen gedanklichen und existentiellen Erfahrung die beiden Grundmodi der Zeit, der lineare und der zyklische, zusammenfallen. Der Begriff der »linearen« Zeit (vielleicht wäre es angemessener, von »progressiver Zeit« zu sprechen) als via recta gegenüber dem »Irrkreis« der heidnischen Mythologie entstammt den philosophischen Werken des heiligen Augustinus. In den neueren theoretischen Diskurs wurde diese Unterscheidung vor allem von Mircea Eliade eingeführt, der schrieb, daß in den archaischen »kosmisch-mythologischen« Gemeinschaften »die beherrschende Rolle [...] eine zyklische Wiederkehr des Vorhergewesenen spielt, in einem Wort: die 'ewige Wiederkehr'«,[7] denn »in jedem Augenblick beginnt alles wieder von vorne. Die Vergangenheit ist nichts als die Präfiguration der Zukunft. Kein Ereignis ist unumstößlich, und keine Verwandlung ist endgültig.«[8] Die Entdeckung der irreversiblen linearen Zeit, die zugleich die »Geburt der Geschichte« bedeutet, schreibt Eliade den jüdischen Propheten zu: »So verleihen als erste die Propheten der Geschichte einen Wert und gelangen dazu, die überlieferte Anschauung vom Zyklus hinter sich zu lassen, die allen Dingen eine ewige Wiederholung zugestand, und entdeckten eine Zeit mit einheitlichem und einzigartigem Sinn. [...] Auch ist die Feststellung wahr, die Juden seien die ersten gewesen, denen die Bedeutung der Geschichte als Epiphanie Gottes aufgegangen sei. Und diese Vorstellungwurde dann, wie zu erwarten stand, vom Christentum wieder aufgenommen und bereichert.«[9]

Der Gedanke zweier grundlegender Zeitmodi und der historischen Wende bei der Entstehung der jüdisch-christlichen Zivilisation ist bereits klassisch, wurde er doch von vielen zeitgenössischen Philosophen, Historikern, Anthropologen und Religiologen aufgegriffen, unter ihnen auch Helmuth Plessner, Gilles Quispel und Henri-Charles Puech. Plessner spricht von zyklischer und eschatologischer Zeit, Puech fügt noch einen dritten Zeitmodus hinzu, den er mit einer »abgebrochenen Linie« veranschaulicht und mit den mystischen Geistestraditionen der Gnosis verbindet, während Quispel besonders die Rolle der Inkarnation Christi als zentrales Ereignis bei der Strukturierung der geschichtlichen Zeit unterstreicht, der Ausstieg aus dem ewigen Kreisen in die Geschichte, der aber zugleich eine Verinnerlichung der Zeit bedeutet, die Entstehung der existentiellen Zeit – und damit die Geburt des sterblichen, endlichen und unwiederholbaren Individuums selbst – die Entstehung dieser inneren (ebenso »linearen«) Zeitdimension, die der hl. Augustinus meint, wenn er in seinen Bekenntnissen schreibt: »Diese drei sind nämlich in der Seele wirklich vorhanden, während ich sie anderswo nicht sehen kann: gegenwärtige Erinnerung an Vergangenes, gegenwärtiges Anschauen von Gegenwärtigem, gegenwärtige Erwartung von Zukünftigem.«[10]

Die Phänomenologie der Beziehungen zwischen den Zeitmodi und dem Heiligen/ Göttlichen, die Eliade und seine Nachfolger begründeten, ist ein bedeutendes methodologisches Instrument auch für Analyse und Verständnis der Chronologie in Platons Höhlengleichnis. Bevor wir in diese Überlegungen einsteigen, müssen zuvor noch einige Unterscheidungen getroffen bzw. präzisiert werden, die im Schema Eliades nicht vollkommen explizit sind. Zunächst muß noch einmal betont werden, daß die klassische (platonische, aristotelische) griechische Zeit zwar zweifellos zyklisch ist, doch im Vergleich mit der archaischen zyklischen Zeit, über die Eliade schreibt, und die bei den Griechen in der vorsokratischen Epoche vorherrschte, ist sie nicht mehr mythisch, sondern vorwiegend rational, hervorgehend aus der rationalen Erklärung der Bewegung der Himmelskörper, die sich aus der griechischen Wissenschaft entwickelt. Daher sagt Platon, die Zeit sei, bestimmt und gemessen mit der Bewegung der Himmelssphären, ein bewegliches Abbild der Unvergänglichkeit (Timaios 37d, Sämtliche Werke Bd. 5, 160), d.h., ein Abbild, das mit der Kreis­bewegung (= der Zeit) als Bewegung in einem verharrenden Kreise (= der Ewigkeit) versinnbildlicht werden kann. Die klassische Zeit der Griechen ist die kosmische Zeit, nicht mehr nur mythisch im archaischen Sinne. Letztere sublimiert sich in der klassischen Epoche vorwiegend zur metaphysischen Zeit, wie sie bei Platon die philosophischen Mythen und auch das Höhlengleichnis »versinnbildlichen«. Das Schema der Phänomenologie der Zeit in der Epoche der griechischen Klassik ist also in groben Zügen folgendes:

l. Die kosmisch-astronomische Zeit, bestimmt von der Bewegungder Himmelskörper, deren Zyklen gemessen, wissenschaftlich analysiert usw., kurz: mit dem »Ticken einer großen kosmischen Uhr« verglichen werden können;

2. Die mythische Zeit, der archaischen Tradition entstammend, ist in klassischer Zeit noch immer gegenwärtig in den sich zyklisch wiederholenden Naturkulten, z.B. den Fruchtbarkeitskulten, die in den Mysterien von Eleusis begangen wurden, usw. – also die archaisch-kosmische Zeit in Eliades Verwendung des Wortes, die zwar nicht wissenschaftlich gemessen werden kann, aber mehr oder weniger positiv mit den Naturzyklen bestimmt wird, obgleich auf der anderen Seite ihr richtiger chronos (und das eben trennt sie von der neuen, rationalistisch-­astronomischen Zeit) in illo tempore gesucht werden muß, in einer undefinierbaren Vergangenheit, die von den Riten erweckt wird, denn »paradoxerweise wird durch den Ritus jeder geweihte Ort zum Mittelpunkt der Welt, wie ja auch die Zeit eines beliebigen Ritus mit der mythischen Zeit des 'Anfangs' zusammenfällt. Durch die Wiederholung des kosmogonischen Aktes wird die konkrete Zeit, in der sich der Bau vollzieht [es geht um den Bau eines Hauses, Heiligtums usw., M.U.], in die mythische Zeit projiziert; in illud tempus, in der die Erschaffung der Welt geschah.« [11]

3. Die metaphysische Zeit, im altgriechischen Denken aus der Entstehung des philosophischen Idealismus entsprungen, also vor allem aus der Philosophie Platons, obgleich Ansätze davon bereits bei den Pythagoräern und sogar bei den Orphikern zu finden sind; die metaphysische Zeit unterscheidet sich von (1) und (2) danach, daß sie nicht mit den Naturzyklen bestimmt wird, obwohl sie dem klassischen griechischen Denken als wesentlich zyklisch erscheint (ebenso dem indischen, chinesischen usw., nicht aber dem jüdisch-christlichen): die »Grenzsteine« dieser Zyklen sind Geburt und Tod (des Menschen wie des Weltalls), Vergessen und Erinnerung, Unwissenheit und Wissen, Gefangenheit im Dunkel und Aufklärung, die »zweite Geburt« – diese Grenzsteine können aber natürlich nicht wie die Grenzsteine der astronomischen Zeit wissenschaftlich vermessen, oder rituell begangen werden wie die der mythischen Zeit, denn die Dauer der metaphysischen Zyklen ist nicht diesseitig bestimmt, ihr chronos ist die Ewigkeit, das Jenseits.

Von der Feststellung ausgehend, daß der Grundmodus der griechischen Zeit die zyklische Zeit ist, differenziert sich diese bei eingehender Analyse in (wenigstens) drei Submodi. Ähnliches gilt auch für die jüdisch-christliche »lineare« (progressive) Zeit, die noch weiter verzweigt und in sich differenziert und auf unterschiedliche Art und Weise strukturiert ist. Sie zerfällt in zahlreiche Submodi, von denen hier nur einige erwähnt werden sollen: die christliche eschatologische Zeit (in der Bedeutung der augustinischen civitas Dei im Gegensatz zur civitas terrena) und die mit ihr korrelierende »Seelenzeit« (d.h., die innere, individuell-existentielle Zeit der Geburt, des Todes und der Auferstehung oder Verdammung der Seele); das neuzeitliche säkularisierte eschaton, die Zeit der historischen Entwicklung des Geistes (d.h. die Hegelsche Zeit, die mit einer treppenartigen Spirale symbolisiert werden kann) und die mit ihr korrelierende Zeit der Entwicklung der Natur, die biologisch-evolutionäre (darwinistische) Zeit der Phylogenese und Ontogenese des Lebewesens; die moderne »Erlebniszeit« bzw. psychologische Zeit jedes Einzelnen, und die Traumzeit, die romaneske Zeit, und natürlich die allmächtige »objektive« physikalische Zeit, die irreversible entropische Zeit; und schließlich auch die Zeit als vierte Raum-Zeit­ Dimension in der Relativitätstheorie, und die »gekrümmte« Zeit der modernen Kosmologie, die die Merkmale der linearen und zyklischen Struktur verbindet usw.

Innerhalb der einzelnen Arten von Grundmodi der Zeit (der zyklischen wie auch der »linearen« bzw. progressiven) zeichnen sich weitere Distinktionen ab. Für den hier erörterten Kontext ist die folgende Distinktion innerhalb der griechischen zyklisch­-metaphysischen Zeit bemerkenswert. Innerhalb von (3) können noch zwei Unterarten unterschieden werden:

(3a) Die kosmisch-metaphysische Zeit, die mit der uralten Idee chaldäisch­-babylonischen Ursprungs über die endliche, in unermeßlich großen Zyklen sich wiederholende Lebenszeit des Kosmos, zusammenfällt, mit der Idee vom »Großen Jahr« – dem »Zeitalter«, »Äon« (griech. aion, lat. aevum); in der griechischen Philosophie finden wir diesen Gedanken bei Heraklit (die ekpyrosis als kosmischer ­Weltenbrand), später finden wir seine Spuren in der stoischen Kosmologie und schließlich (schon innerhalb eines anderen Grundmodus der Zeit) als die dies irae des Christentums; und ­

(3b) die seelisch-metaphysische Zeit, d.h. die Zeit der Erneuerung, der Reinkarnation oder Transmigration der Seele; es geht um jene transphysische Zeit, in der die Seele – die Sphären beider Welten durchwandernd, der diesseitigen und der jenseitigen ­vom Rad der Notwendigkeit getrieben wird (die Inder würden sagen, vom Rad des Karma), oder wie Anaximander im ältesten erhaltenen griechischen Satz sagte: »Woraus aber die Dinge ihre Entstehung haben, darein finde auch ihr Untergang statt, gemäß der Schuldigkeit. Denn sie leisteten einander Sühne und Buße für ihre Ungerechtigkeit, gemäß der Verordnung der Zeit.«[12] Das, woraus die Dinge entstehen und in dem sie vergehen, ist unseren diesseitigen Sinnenaugen nicht zugänglich (denn wir sehen nicht, woher ein »Ding« kommt und wohin es geht, das uns von allen Dingen das wichtigste scheint – nämlich die Seele), es scheint aber, daß die Kette der Notwendigkeit und die Reihe der Zeit auch in Bereiche hinüberreichen, in die unser diesseitiger Blick nicht folgen kann.

Die seelisch-metaphysische Zeit ist vom diesseitigen Standpunkt aus gesehen völlig unbestimmt. Wer könnte wissen, wieviel Zeit eine Seele jenseits verbringt, auf »der Wahrheit Feld«? Auch wenn wir sagen, die Seelen der Verstorbenen blieben »sieben Tage auf der Wiese« (vgl. Politeia 614-620) oder das Gericht werde in tausend Jahren sein, ist dies nicht nur metaphorisch aus Mangel an entsprechenden Maßen gemeint? Man kann sich fragen, wieviel (unserer, diesseitiger) Zeit eine orphische Seelen­wanderung durch das »Haus des Hades« braucht, von der weißen Zypresse bis zum See Mnemosyne, dorthin zum Urquell, aus dem »kaltes Wasser fließt«? Wir wissen es nicht! Wir wissen nicht einmal, ob es überhaupt Sinn macht, so zu fragen. Es geht ja um die Jenseitszeitigkeit, um die Ewigkeit! Ja, aber immerhin wandert die Seele ­jenseitige Wanderungen dürfen ebenso in der griechischen wie in der indischen oder christlichen Geistigkeit nicht fehlen: Eine Wanderung geschieht immer in irgendeiner Zeit, wenn diese Zeit auch ganz anders beschaffen ist als die unsere.[13]

Doch – wie ist diese jenseitige Zeit beschaffen? Wahrscheinlich kann sie nicht anisotropisch (in eine Richtung gerichtet, irreversibel) sein, denn wäre sie  anisotropisch, wie sich uns die diesseitige (geschichtliche und/oder existentielle) Zeit zeigt, würde dies bedeuten, daß in der jenseitigen Zeit keine wirkliche Wiederholung möglich wäre, gerade sie ist aber der Hauptgrund dafür, daß wir die Jenseitigkeit überhaupt postulieren: Wenn eine Wiederholung nicht möglich wäre, wäre das für uns (wenigstens dieseits, in der Welt) dasselbe, als würde die seelisch-metaphysische Zeit überhaupt nicht existieren.

Eliade war der Meinung, »der Mythos von der ewigen Wiederholung, so wie er durch das griechische Denken reinterpretiert worden ist, habe zum Sinn einen äußersten Versuch zur 'Statisierung' des Werdens, zur Annullierung der Unumstößlichkeit der Zeit. Da alle Augenblicke und alle Situationen des Kosmos sich unaufhörlich wiederholen, erweist sich ihre Vergänglichkeit in letzter Analyse als nur scheinbar; unter dem Aspekt der Unendlichkeit bleiben jeder Augenblick und jede Situation an ihrem Platz, und sie gewinnen so den ontologischen Charakter des Archetypus.«[14] Das Einfrieren des Augenblicks oder einer Situation in den Archetypus, wie Eliade sagt, ist nur angesichts des Postulats der endlosen Wiederholung möglich, die aber kann nur in einer Zeit stattfinden, die nicht absolut irreversibel ist – was aber noch nicht bedeutet, daß die metaphysische Zeit schon eo ipso reversibel in dem Sinn ist, wie man Reversibilität innerhalb der Diesseitigkeit der Zeit versteht. Bei der jenseitigen Zeit muß das Prinzip des tertium non datur nicht unbedingt gelten, vielleicht ist gerade das geheimnisvolle tertium jenseits der rationalen Antinomie von Reversibilität und Irreversibilität jener mystische chronos der metaphysischen Wiederholung.

Die metaphysische Zeit des Höhlengleichnisses ist ohne Zweifel zyklisch. In der Chronologie der Seelenwanderung in die Gedankenwelt (und zurück in die Höhle) ist der einzige »singuläre« Augenblick – der in der platonischen Zeitstruktur aber bei weitem keine so große Bedeutung hat wie das große Ereignis (kairos) in der christlichen »linearen« bzw. eschatologischen Zeit, die einmalige Inkarnation und Auferstehung Christi – der Augenblick, in dem der Geist des Menschen auf dem Weg zur wahren Erkenntnis aus der Schattenwelt erweckt wird, wenn sich einer der Gefangenen von den Fesseln der Höhle befreit, aufsteht, den Hals dreht, herumgeht und gegen das Licht sieht, das ihn, wenn er zu ihm hinaufsteigt, fast blind macht, weil er »die Augen voll Strahlen hat«. Einer der Gefangenen wird befreit, und zwar als erster von ihnen (im Kontext von Platons Gesamtwerk gebührt diese Vorrangstellung zweifellos Sokrates), doch seine Handlung, der Aufstieg zum Licht und die Rückkehr ins Dunkel der Höhle ist nicht in der Hinsicht außergewöhnlich, daß dies nicht mit jeder neu erweckten Seele wiederholt werden könnte – es wird nämlich nicht nur abgebildet (nicht nur imitatio), sondern wortwörtlich in allen seinen Dimensionen wiederholt; oder, wie Karl Jaspers es ausdrückt, im Lichte des Menschenmöglichen trifft sich Sokrates mit dem anderen [scil. Menschen, seinem Schüler, M.U.] auf derselben Ebene.[15]

Der Weg, den die Seele eines jeden Individuums geht, ist ein immer neuer Zyklus auf derselben Kreislinie – denn wenn das »Rad der Wissenschaft« (den die Buddhisten das Rad der dhamma nennen), einmal in Schwung gebracht ist, erweckt es immer wieder von neuem Seelen und ruft sie auf den Weg der Erkenntnis in der seelisch-metaphyischen Zeit. Für diese ist weder die Bestimmung durch die natürlichen (astronomischen) Zyklen noch das mythologische immer wiederkehrende illud tempus charakteristisch, sondern vielmehr die gnostische, also die im wörtlichen Sinne meta-physische Erkenntnisfähigkeit der Seele und/oder des Geistes, die »Sphären« beider Welten, des Diesseits und des Jenseits, durchdringen zu können. Dieses Durchschreiten ist selbstverständlich auch für die eschatologische Zeit des Christentums von wesentlicher Bedeutung, die ihrer »linearen« (progressiven) Grundstruktur nach, bestimmt von dem zentralen geschichtlichen Ereignis, sich von der zyklischen Zeit in Platons Höhlengleichnis grundlegend unterscheidet. Der Platonismus und das Christentum, die topologisch in manchem übereinstimmen, unterscheiden sich chronologisch aber wesentlich voneinander.

Die zyklische Zeit ist durch den Kreis versinnbildlicht, denn »Gleich ist Anfang und Ende auf der Kreislinie.«[16] Der Weise von Ephesus, genannt »der Dunkle«, lehrte: »Der Weg hinauf, hinab ist ein und derselbe.«[17] Fragen wir uns also, ob die Identität des Aufstiegs (zum Licht) und des Abstiegs (zurück in die Dunkelheit) auch für das Höhlengleichnis gilt. Auf Vorstellungsebene kehrt der Erweckte offensichtlich aus der Höhle »durch einen schwer zugänglichen Ausgang« (Politeia 514 ... 517) auf demselben Weg, auf dem er zum Sonnenlicht aufstieg, und zwar an seinen alten Platz. Der offensichtliche Zweck der Rückkehr des Weisen ist es, seine ehemaligen Mitgefangenen aufzuklären, damit sie ihm einer nach dem anderen zur Sonne, zur Freiheit folgen könnten. Doch fragen wir uns weiter, was auf der symbolischen Ebene des Höhlengleichnisses die Kreisverbindung des Weges nach unten und nach oben zu bedeuten hat.

Das topologisch-chronologische Schema des Höhlengleichnisses kann vom Standpunkt der seelisch-metaphysischen Zeit (d.h., der Zeit jeder einzelnen Seele, die im Kreis wandert), in groben Zügen folgendermaßen gezeichnet werden, beginnend mit der Geburt: Die Seele erhält einen Körper (wir wissen nicht genau, wann – bei der Geburt? oder vielleicht schon bei der Empfängnis?), das Kind wird geboren, wächst heran ... und eines Tages wird es sich seiner Ambiguität, seiner Sterblichkeit, bewußt, der Verwobenheit seiner Seele und seines Körpers in Raum und Zeit des Diesseits ... im Leben, hier und jetzt, wo die Erinnerung an die andere Welt nebelhaft ist, »wie wenn ein mitten im Grunde der See Wohnender glaubte, oben an dem Meere zu wohnen, und, weil er durch das Wasser die Sonne und die andern Sterne sähe, das Meer für den Himmel hielte ...« (Phaidon 109c, Sämtliche Werke Bd. 3, 58f.); weshalb ist es nur Auserwählten gegeben, eine klare Erinnerung (anamnesis) an den überhimmlischen Ort zu bewahren ... und diese Auserwählten wissen, daß »diejenigen, die sich auf rechte Art mit der Philosophie befassen, nach gar nichts andern streben als nur zu sterben und tot zu sein« (Phaidon 64a, Sämtliche Werke Bd. 3, 17), und sie lehren, daß »die Philosophie ihre Seele übernimmt als ordentlich gebunden im Leibe und ihm anklebend« (Phaidon 82e, Sämtliche Werke Bd. 3, 34), was mit anderen Worten heißt, daß die Philosophen im Aufstieg der Seele sozusagen eine »Abkürzung« auf dem Weg nach oben erblicken, wenn sie erkennen, daß die Dinge dieser Welt nur »teilhaftig sind« an der höheren jenseitigen Wirklichkeit; diese Erkenntnis beeinflußt die Philosophen derart, daß sie bereits mitten im Leben für diese Welt sterben, den Tod sozusagen überholen und ihm damit seinen todbringenden Stachel ausreißen ... doch alle, Auserwählte und Plebejer, Phenician, Gentile or Jew, alle müssen wir sterben und vergessen »the cry of gulls, and the deep sea swell/And the profit and loss«[18] ... denn der Tod, der große Unbekannte, reißt die Seele aus dem Körper, und die Seele – wenn wir den Weg auf dem platonischen Kreis weiterverfolgen – erklimmt den »Weg nach oben«, auf dem Wege des Erinnerns, und wenn sie ihren Durst an den kalten Wassern des Sees Mnemosyne löscht, steigt sie auf zum Ursprung der Erkenntnis selbst, zur höchsten Idee, der Idee des Guten (ganz »oben« »auf der Wahrheit Feld«), während der Körper, ein zerfallender Leichnam, auf dem »Weg nach unten« in die Höhle, den Hades, in die Erde hinabsteigt ... so daß Seele und Körper auf diesem Teilstück des Kreisweges am weitesten entzweit sind ... doch in dem anderen symmetrischen Teilstück des Kreislaufs muß die Seele aufgrund des Drehens der »Spindel der Notwendigkeit« wieder den »Weg nach unten« zum Körper antreten, vom Wasser des Vergessens, vom Wasser des Flusses Lethe trinken, und wie der Held Er nach seiner Wanderung im Jenseits (vgl. Politeia 614-620) wiederum in den Körper zurückkehren, während sich der (neue) Körper zu ihr auf dem »Weg nach oben« macht, in der Gebärmutter heranwächst, geboren wird ... und der Kreislauf beginnt von neuem. Dabei stellt sich dem Philosophen unausweichlich die Frage: Ist in dem neuen Kreislauf auch die Seele eine neue Seele?[19] Wie weit, wie tief geht die Wiederholung? Das griechische Denken und Fühlen ist von der Überzeugung geprägt, daß der »Weg nach oben« und der »Weg nach unten« ein und derselbe ist, der Christ dagegen glaubt, daß er durch Christus von dieser Wiederholung, vom »Irrkreis« erlöst wurde, weil, wie der heilige Paulus schreibt: »... den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht [kommt]« (Hebr. 9, 27).

Die Wiederholung kann also auf unterschiedliche Weise aufgefaßt werden. In unserem Kontext gibt es drei Arten von Wiederholung: erstens, der Weg der Seele wiederholt sich wie die kreisförmige Identität des »Wegs nach oben« und des »Wegs nach unten«; zweitens, als die Wiederholung des Wegs seines Lehrers durch den Schüler, wobei der Lehrer als Aufklärer (phoster) wirkt, der Erkenntnis bringt (gnosis; bei Platon episteme), d.h., als erster Erlöster, als Paradigma; und drittens – was für den hier erörterten Zusammenhang besonders wichtig ist – als die Wiederholung der Struktur auf einer anderen (höheren, neueren, »vollkommen verschiedenen« ...) Ebene. Diese dritte Art der Wiederholung ist von wesentlicher Wichtigkeit sowohl für den Platonismus wie auch für das Christentum, trotz unverkennbarer inhaltlicher Unterschiede.

Von der topologischen Wiederholung der Ebene im Höhlengleichnis habe ich bereits gesprochen: Es geht um die Übertragung eines diesseitigen topos, sagen wir einmal der Struktur der Beziehungen zwischen den Schatten in der Höhle, »nach oben« auf die jenseitige Ebene, auf die Struktur der Beziehungen zwischen den wirklichen Gegenständen – d.h. den Ideen im Höhlengleichnis (z.B. die Wiederholung der Anordnung, Einteilung, Form und Größe der Schatten der »steinernen und hölzernen Bilder«, die die Gefangenen an den Höhlenwänden sehen können, und dieser Gegenstände selbst, die die Gefangenen nicht sehen).

Die Wiederholung der Struktur erhält die Natur bzw. das Was-Sein (quidditas) desjenigen, das strukturiert ist. Wenn das Strukturnetz sehr dünnmaschig wird, erhält sich mit der Wiederholung der Struktur auch die Individualität (haecceitas) der Dinge. Die Möglichkeit der strukturellen Wiederholung (d.h. der Wiederholung von topos, chronos, Ereignis, Taten, Gedanken, Gefühlen, Liebe ...) ist ein gedankliches Postulat jeder diesseitigen Vorstellung von der Unsterblichkeit der (individuellen) Seele, und ebenso von der Gerechtigkeit des göttlichen Gerichts: Die menschliche Vorstellung von der göttlichen Gerechtigkeit ist nämlich im Postulat begründet, daß sich auf einer anderen, höheren Ebene alles wiederholt und wiederkehrt, was von einem schlimmen Schicksal oder durch das Ränkespiel des Teufels auf der niedrigeren Ebene geraubt wurde. Die Grenze zwischen den beiden Ebenen ist auf unterschiedliche Weise markiert, sei es chronologisch (Vergangenheit/Gegenwart/Zukunft) oder topologisch (Diesseits/Jenseits) oder kombiniert chronologisch und topologisch (eschatologisch: am Ende der Zeiten, im Himmel). Auf alle Fälle geht es um die Wiederholung der Struktur, die die quidditas des Wiederholten und den Sinn der Wiederholung selbst bewahrt. Gottfried Wilhelm Leibniz schreibt in seiner Metaphysischen Abhandlung (1686) Worte von Erinnerung und Unsterblichkeit, die das Wesen des westlichen Verständnisses des Überlebens der Seele zum Ausdruck bringen: »Auch besteht die Unsterblichkeit, die man in der Moral und in der Religion fordert, nicht ganz allein in jener ewigen Fortexistenz, die allen Substanzen zukommt, denn ohne Erinnerung an das, was man gewesen ist, wäre sie nichts Wünschenswertes. Nehmen wir an, daß irgendein Individuum plötzlich König von China werden sollte, unter der Bedingung jedoch, das zu vergessen, was er gewesen ist, so als ob es ganz von neuem geboren worden wäre – ist das nicht in der Praxis oder hinsichtlich der Wirkungen, die man wahrnehmen kann, genau dasselbe, als ob es vernichtet werden sollte und ein König von China würde an seiner Stelle im gleichen Augenblick geschaffen werden? Dieses Individuum hat aber keinen Grund, das zu wünschen.«[20] Im Westen ist das Postulat von der Unsterblichkeit der Seele die Verbindung zur Vergangenheit in der Erinnerung.

Die biblische Schlüsselfigur bei der Abgrenzung der diesseitigen und jenseitigen Wiederholung ist Hiob. Am Ende des berühmten Buches Hiob, als Hiob alle Prüfungen überstanden und alles verloren hat, was ein lebender Mensch auf dieser Welt verlieren kann, und sich trotz allem nicht von Gott abwendet, erweist ihm Gott unverhofft Gnade und ermöglicht eine (diesseitige) Wiederholung: »Und der HERR gab Hiob doppelt soviel, wie er gehabt hatte.« (Hiob 42, 10). Constantin Constantinus (Sören Kierkegaard) schreibt in seiner philosophischen Prosa mit der Überschrift Wiederholung zu diesem biblischen Satz folgendes: »So gibt es denn also eine Wiederholung. Wann tritt sie ein? Ja, in irgendeiner menschlichen Sprache läßt sich das nicht gut sagen. Wann ist sie eingetreten für Hiob? Als alle denkbare menschliche Gewißheit und Wahrscheinlichkeit für die Unmöglichkeit sprach.«[21] Die Wiederholung ist hier fast mehr als vollkommen: »Und der HERR segnete Hiob fortan mehr als einst, so daß er vierzehntausend Schafe bekam und sechstausend Kamele und tausend Joch Rinder und tausend Eselinnen. Und er bekam sieben Söhne und drei Töchter.« (Hiob 42, 12-13) Doch wo sind alle die Schafe und Kamele geblieben, wohin sind alle die Ochsen und Eselinnen gekommen, die durch die Ränke des Teufels zuvor verschwinden mußten? Wohin sind Hiobs frühere Söhne und Töchter unwieder­bringlich verschwunden, die hatten umkommen müssen? Sind denn ihre Seelen einfach austauschbar mit den Seelen der neuen sieben Söhne und drei Töchter? Sind sich die früheren und die neuen Kinder Hiobs von Angesicht ähnlich, haben ihre Augen gleich geleuchtet? Darüber erfahren wir im Buche Hiob nichts. Auf diese Fragen versucht später, im Neuen Testament, der heilige Paulus eine Antwort zu geben, doch anders, als wir im Buche Hiob lesen, nämlich mit einer anderen, ins Jenseits erhobenen Wiederholung: »Der erste Mensch ist von der Erde und irdisch, der zweite Mensch aber ist vom Himmel« (1Kor 15,47). Kierkegaard sagt: »[...] die Wiederholung hingegen ist und bleibt eine Transzendenz.«[22] Denn wie wäre es möglich, schon in dieser Welt abzurechnen und mit der Abrechnung alles Böse zu tilgen, das die Ränke des Teufels einem Kind angetan haben? Es gibt keine jenseitige Wiederholung, die solches vermag! Eine Gnadengabe, ein angebotener Ersatz kann eine verletzte Seele niemals ganz heil machen. »Nur die Kinder empfing Hiob nicht zwiefältig wieder, weil ein Menschenleben sich nicht dergestalt verdoppeln läßt. Hier ist allein des Geistes Wiederholung möglich, ob sie gleich in der Zeitlichkeit nie so vollkommen wird wie in der Ewigkeit, welche die wahre Wiederholung ist.«[23] Doch – wenn nur die Ewigkeit eine wirkliche Wiederholung bedeutet, was wird denn dann in ihr bewahrt, welche quidditas, welche haecceitas, welche Struktur? Weshalb kann wenigstens die Struktur auch bei der Auslegung des hl. Paulus für die Brüder in Korinth bewahrt bleiben: »Es gibt himmlische und irdische Körper. Doch ein anderer ist der Glanz der himmlischen, ein anderer der irdischen Körper« (1Kor 15,40). Im Fall des menschlichen Körpers: die Struktur als Gestalt, als Form, als topos des menschlichen Geistes, denn welchen Sinn hätte die Wiederholung der Diesseitigkeit, wenn es in der Jenseitigkeit so wäre, wie der Koran sagt (56, 61): »... daß wir eure Gestalt verwandeln und euch von neuem, in Gestalten, die ihr nicht kennt, erschaffen?« Wäre das überhaupt noch eine Wiederholung, deren Brücke die Erinnerung ist? Wie würde sich die Seele in einer völlig neuen Gestalt wiedererkennen, wie würde sie sich erinnern, daß sie einst mit irdischen Augen gesehen hat, mit Händen getastet, mit einem Herzen geliebt? Der hl. Paulus lehrt zwar, daß »wir uns alle verwandeln werden, in einem Augenblick, beim Klang der letzten Posaune« (1Kor 15, 51-52) und »Unsterblichkeit anziehen« (ibid.) werden. Doch damit ich, du, er, sie ... »Unsterblichkeit anziehen« können, muß von mir, dir, ihm, ihr ... nach dem Tode wenigstens etwas übrigbleiben, das in die Unsterblichkeit »gekleidet« werden kann. Die Frage ist: Wer oder was überlebt den Tod? Gewöhnlich sagen wir – die Seele. Doch die Seele muß eine so-und-so-geartete Struktur sein, um überhaupt etwas oder jemand sein zu können. Und wieder sind wir bei der Wiederholung der Struktur.

Unser Wunsch nach individueller Unsterblichkeit, nach dem Überleben der Seelenach dem körperlichen Tod, wird nicht bloß mit der Wiederholung irgendeiner allgemeinen Struktur befriedigt, sagen wir der menschlichen Gestalt oder Essenz (»Subsistenz« nach Leibniz) oder, biologisch betrachtet, des genetischen Codes. Die Weisen sagen zwar, daß Leben und Tod sub specie aeternitatis zu betrachten seien, was die Bedingung für den Seelenfrieden und jene Heiterkeit ist, die im Osten der Buddhist oder Taoist kennt. Es ist für die östliche Weisheit ganz besonders kennzeichnend, daß sie sich unaufhörlich die Vergänglichkeit aller Dinge bewußt machen und jenseits von ihr die Ewigkeit erblicken will. Doch die westliche Zivilisation ist seit den Ägyptern und Griechen von dem Wunsch nach individueller Unsterblichkeit geprägt, nach Wiederholung der jedesmaligen haecceitas, ohne aber genau zu wissen, worin und ob sie überhaupt besteht. In einem seiner späten Fragmente über die ewige Wiederkehr schrieb Nietzsche: »Jener Kaiser hielt sich beständig die Vergänglichkeit aller Dinge vor, um sie nicht zu wichtig zu nehmen und zwischen ihnen ruhig zu bleiben. Mir scheint umgekehrt Alles viel zu viel wert zu sein, als daß es so flüchtig sein dürfte: Ich suche nach einer Ewigkeit für Jegliches: Dürfte man die kostbarsten Salben und Weine ins Meer gießen? Mein Trost ist, daß alles, was war, ewig ist: – das Meer spült es wieder her.«[24] Denn Ewigkeit besteht für uns nicht in der Leere des Himmels, sondern in der Wiederkehr und Gegenwart all dessen, was wir verloren haben: all das, gar alles, jedes Lächeln, jedes Bild, jedes Wort, jeder Gedanke ... Wie unvorstellbar und undenkbar ist das! Der chinesische Weise Zhuang Zi fragte sich, ob das nicht bedauernswert sei. Die Menschen sprechen von der Unsterblichkeit, doch welchen Wert hat das. Wenn der Körper zerfällt, wird auch die Seele davon betroffen sein? Ist das nicht eigentlich traurig? Ist das menschliche Leben wirklich so im Dunkel verstrickt, bin ich selbst im Dunkel? Gibt es überhaupt andere, die nicht im Dunkel sind?

Wie wäre eine Wiederholung aller Zeiten überhaupt möglich? Schon in einem einzigen kurzen Menschenleben gibt es unendlich viele unwiederholbare Augenblicke. Geschieht die Wiederholung des chronos auf der anderen (höheren, jenseitigen) Ebene vielleicht auf die Weise, daß seine Struktur erhalten bleibt (die Anordnung der Ereignisse), während sich sein Rhythmus, sein Lauf verändert (verschnellert, verlangsamt, »krümmt«, »vervielfältigt« ...)? Gibt es in unserem Leben irgendwelche Erfahrungen, die eine solche Vermutung bestätigen würden? Deren gibt es natürlich recht viele, die Schwierigkeiten kommen aber bei der Interpretation. Zu den interessan­testen Erfahrungen der »Verdichtung« der Zeit gehören die »Nah-Todeserlebnisse« (near-death experiences), worüber Carol Zaleski schreibt: »Daß manche Menschen angesichts des Todes innerhalb eines Moments eine solche Rückschau erleben, ist in den Biographien und medizinischen Berichtsbänden des 19. Jahrhunderts, aber auch in den neueren Studien über Nah-Todeserlebnisse hinreichend dokumentiert.«[25] Als konkretes Beispiel eines solchen Erlebnisses führt sie den Alpinisten Albert Heim an, der entdeckte, daß ein solches Lebenspanorama häufig bei Menschen vorkommt, die einen fast tödlichen Absturz erlitten haben; Heim beschreibt sein eigenes Erlebnis, als ihn in den Bergen ein Windstoß einen Felsen hinunterwarf: »Ich sah mein ganzes vergangenes Leben in vielen Bildern, als ob es sich auf einer Bühne, etwas entfernt von mir abspielte. Ich sah mich selbst als den Hauptdarsteller in der Aufführung. Ein himmlisches Licht verklärte alles, und alles war schön und ohne Trauer, ohne Angst und ohne Schmerz.«[26] Der Inhalt des Lebenspanoramas ist bei verschiedenen Menschen natürlich unterschiedlich, das Gefühl inneren Friedens und der Angstfreiheit ist keine Regel ohne Ausnahme, bei manchen verbindet sich die Wiederholung mit einem Urteil usw., doch die Veränderung des Zeitrhythmus und die Erfahrung einer »Synthese« sind allen derartigen Erlebnissen gemeinsam.

Die Möglichkeit der Wiederholung der jedesmaligen und einmaligen Struktur, d.h. die Bewahrung der haecceitas jedes einzelnen Seienden, ist die Bedingung der Möglichkeit individueller Unsterblichkeit, die für unsere Kultur so charakteristisch ist. Die Wiederholung kommt, sinnbildlich gesprochen, über die Brücke der Erinnerung zustande. Kierkegaard stellt in der Wiederholung einführend fest: »[...] denn die Wiederholung ist ein entscheidender Ausdruck für das, was 'Erinnerung' bei den Griechen gewesen ist. Gleich wie diese also gelehrt haben, daß alles Erkennen ein sich Erinnern sei, ebenso wird die neuere Philosophie lehren, daß das ganze Leben eine Wiederholung ist. «[27] Die Erinnerung ist die Wiederholung einer einzigartigen Struktur, einer Kette von Bildern, Vorstellungen oder Begriffen – der Struktur, die sich von neuem an einen anderen topos und chronos aufreiht. Wir wollen uns überzeugen, daß sich »individuelle« Strukturen erhalten, doch auf der anderen Seite scheint es uns, wie Eliade in seinem Buch von der ewigen Wiederkehr feststellt, »daß die Erinnerung post mortem an diese Geschichte ihre Grenzen hat, oder mit anderen Worten, daß die Erinnerung an die Leiden, Erlebnisse, alles, was mit der eigentlichen Individualität zusammenhängt, an einem gewissen Zeitpunkt nach dem Tode ihre Kraft verliert und zu existieren aufhört. Was den Einwurf angeht, ein unpersönliches Überleben komme einem wahren Tod gleich (in dem Betracht, daß allein die Persönlichkeit und das an die Dauer und die Geschichte gebundene Gedächtnis ein Überleben genannt werden dürften), so ist er nur vom Standpunkt eines 'historischen Bewußtseins' aus wirksam. Mit andern Worten, dabei geht es nur um den Standpunkt des modernen Menschen, denn das archaische Bewußtsein gesteht den 'persönlichen' Erinnerungen keinerlei Bedeutung zu. Es fällt nicht leicht, genauer auszudrücken, was ein 'Überleben des unpersönlichen Bewußtseins' bedeuten könnte, obwohl gewisse geistige Erfahrungen es ahnen lassen möchten. Was gibt es an 'Persönlichem' und 'Historischem' in der Emotion, die man fühlt, wenn man Bachsche Musik hört, in der Aufmerksamkeit, die zur Lösung eines mathematischen Problems notwendig ist, in der konzentrierten Klarheit, die man zur Durchdenkung einer philosophischen Frage benötigt?«[28]

Sicher kann diesem Gedanken Eliades beigepflichtet werden, doch trotz allem kann die menschliche Frage nicht völlig außer Acht gelassen werden: wenn »persönliche Erinnerungen« nicht überleben – und uns also sub specie aeternitatis nicht interessieren – wer oder was ist dann diese Struktur, von der wir glauben, daß sie dennoch überlebt? Oder ist es überhaupt wert und recht, daß die abstrakte quidditas überlebt, wenn jede konkrete haecceitas für immer und ewig-stirbt? Der Großteil westlicher Denkart und Kultur besteht gerade darin, sich diese unbeantwortet gebliebene und im Diesseits wohl auch unbeantwortbare Frage zu stellen. Denn nur die Wahrheit ist wichtig, wie uns Sokrates klarzumachen versuchte.

Übersetzt von Elisabeth Seitz

 



[1] Übersetzungen der Originalstellen aus Platon: Platon, Sämtliche Werke in der Übersetzung von Friedrich Schleiermacher mit der Stephanus-Numerierung herausgegeben von Walter F. Otto, Ernesto Grassi und Plamböck. In der Reihe: Rowohlts Klassiker der Literatur und der Wissenschaft, herausgegeben von Ernesto Grassi unter Mitarbeit von Walter Hess, Griechische Philosophie. Hamburg, 1958)

[2] Heraklit, Fragmente; griechisch und deutsch herausgegeben von Bruno Snell. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Heimeran Verlag, Darmstadt 6/1976, 25.

[3] ' Ich denke hier an die wundervollen Mosaike an den Wänden der byzantinischen Kirchen in Dafne und auf Meteora in Griechenland und Monreale auf Sizilien und, wenn wir ein paar Jahrhunderte überspringen, an Giorgiones Huldigung der Könige und Leonardos Unsere Frau in der Höhle. Zahlreiche christliche Kunstwerke verarbeiten auch das Motiv der Höhle als Grab, so z.B. Fra Angelicos Fresken Noli me tangere in einer Zelle des St. Marcus-Klosters in Florenz, und anderswo.

[4] ' Ich erinnere mich an ein Mosaik mit diesem Motiv, das ich in der unvergeßlichen griechischen Kirche Hosios Lucas gesehen habe, in den Bergen über dem korinthischen Meer, und das, uns nähere, im Marcusdom in Venedig, an den Wänden der hohen Gewölbe über dem Wellenpflaster des Hauptschiffes.

[5] The Journey of the Magi, in: T.S. Eliot, Gesammelte Gedichte 1909-1962. Englisch und deutsch, hrsg. von Eva Hesse. Suhrkamp Verlag, 2/1988, 158.

[6] Ibid., 278.

[7] Mircea Eliade, Der Mythos der ewigen Wiederkehr, übersetzt von Günther Spaltmann, Eugen Diederichs Verlag, Düsseldorf 1953, 131.

[8] Ibid., 132.

[9] Ibid., 152.

[10] Aurelius Augustinus, Bekenntnisse. Übersetzt und herausgegeben von Kurt Flasch und Burkhard Mojsisch. Philipp Reclam jun. Stuttgart, 1989, 320.

[11] Mircea Eliade, op. cit., 35f..

[12] Anaximander von Milet nach Simplicius zu Aristoteles, Physik 24. 13ff., in: Die Vorsokratiker. Die Fragmente und Quellenberichte übersetzt und eingeleitet von Wilhelm'Capelle. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1968, 82.

[13] Eine Ausnahme ist hier nur das Tibetanische Totenbuch, in dem wir lesen, daß die Seele – oder das, das wir Seele nennen – genau vierzehn Tage lang, Tag und Nacht, verschiedene Sphären des Zustandes bardo durchschreitet, d.h. des Zustandes zwischen Tod und Wiedergeburt.

[14] Mircea Eliade, op. cit., 179.

[15] Karl Jaspers, Die Maßgebenden Mensehen, Basel 1979.

[16] Heraklit, Fragmente; griechisch und deutsch herausgegeben von Bruno Snell. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Heimeran Verlag, Darmstadt 6/1976, 33.

[17] Anmerkung des Übersetzers: T.S. Eliot zitiert dieses Fragment in den Four Quartets als Einleitung zu Burnt Norton, und zwar im griechischen Original aus Diels-Kranz, Dk12 A9; Die deutsche Übersetzung von Georg Burckhardt wird in T.S. Eliot, Gesammelte Gedichte 1909-1962. Englisch und deutsch, hrsg. von Eva Hesse. Suhrkamp Verlag, 2/1988, 279 angeführt.

[18] The Waste Land, IV Death by Water; in: T.S. Eliot, Gesammelte Gedichte 1909-1962. englisch und deutsch, hrsg. von Eva Hesse. Suhrkamp Verlag, 21988, 106.

[19] Der buddhistische Weise Nagasena würde auf diese Frage seinem wißbegierigen Gast, dem griechischen König Milinda mit der Gegenfrage antworten: Ist die Kerzenflamme, die wir abends anzünden, dieselbe oder eine andere als die Kerzenflamme, die wir morgens immer noch brennend vorfinden?

[20] Gottfried Wilhelm Leibniz, Philosophische Schriften, herausgegeben und übersetzt von Hans Heinz Holz, Band I: Kleine Schriften zur Metaphysik; darin: III. Metaphysische Abhandlung, 49-172; Zitat 155-157.

[21] Sören Kierkegaard, Die Wiederholung. Ein Versuch in der experimentellen Psychologie von Constantin Constantinus, übersetzt von Emanuel Hirsch. Eugen Diederichs Verlag, Düsseldorf, 1967, 82.

[22] Ibid., 59.

[23] Ibid., 89f.

[24] Friedrich Nietzsche, Der Wille zur Macht. Alfred Kröner-Verlag 1921, Stuttgart.

[25] Carol Zaleski, Nah-Todeserlebnisse und Jenseitsvisionen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Aus dem Amerikanischen von Ilse Davis Schauer. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig, 1993, 197.

[26] Ibid., 197.

[27] Sören Kierkegaard, op. cit., 3.

[28] Mircea Eliade, op. cit., 76f.