Page 22 - [Peter_Menzel,_Faith_D’Aluisio]_Mahlzeit_Auf_80(BookFi.org)

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Seit jeher ernährten sich die halbnomadischen
Massai von Fleisch, Rinderblut und Milch. Doch
heute haben Politik und Bautätigkeit das ge-
meinsam genutzteWeideland drastisch beschnit-
ten, sodass es heute schwierig ist, eine große
Herde zu unterhalten. Mit der Folge, dass Mais
und Kartoffeln aus fremder Produktion jetzt die
Hauptnahrungsmittel der Massai sind. Wenn
Dürre herrscht, ist die Existenz der Massai-Fami-
lien in Gefahr. Und so kämpfen die meisten vieh-
haltenden Massai in der Savanne der Graben-
senke von Kenia ständig ums Überleben.
IMSÜDENDESOSTAFRIKANISCHENGRABENS
s
Trifft der Massai-Mann eine seiner Frauen, die
er eine Weile nicht gesehen hat, fragt er als Ers-
tes: »Wie geht’s den Kühen?« Von der Herde
hängt der Wohlstand der Familie ab. Alles dreht
sich ums Vieh. Die Massai bewachen ihre Tiere,
zählen sie immer wieder und verkaufen sie nur,
wenn die Not sie dazu zwingt. Und immer
seltener essen sie ihr Fleisch.
Als wir Noolkisaruni Tarakuai in ihrem Dorf
am Rande des Massai-Reservats treffen,
muss die siebenfache Mutter gerade die
Notschlachtung einer trächtigen Kuh organi-
sieren, die im Sterben liegt. Man weiß nicht,
was dem Tier fehlt. Es liegt 20 Fußminuten
vom Hof entfernt auf dem Boden, und sie wird
es töten müssen. Sie berät sich mit ihrem
Ehemann Kipanoi Ole »Sammy« Tarakuai, dem
Dorfältesten. Der Tod einer Kuh ist eine
schwerwiegende Sache, und er erteilt die Er-
laubnis. Die Nachricht spricht sich schnell
herum, und rasch entsendet jede Familie im
Dorf mindestens einen Vertreter, um Anspruch
auf einen Anteil am Fleisch des Tieres zu erhe-
ben. Als Häuptling ist Sammy für das Wohl der
gesamten Sippe verantwortlich. In der Praxis
heißt das, er muss seinen ganzen Besitz mit
den anderen teilen. Bei den Massai muss
jeder für jeden einstehen, und so ist Teilen
guter Brauch.
Drei junge Männer bringen Streichhölzer mit
und schicken sich an, ihre Mahlzeit an Ort
und Stelle einzunehmen. Sie sammeln Brenn-
holz und warten auf ihr Stück der Kuh.
Das Leben in der dürren Savanne ist oft
gnadenlos, doch auch da gibt es gute und
schlechte Jahre. »In einem guten Jahr«, sagt
Noolkisaruni, »melke ich die Kühe, bis ich
eine Kalebasse voll Milch habe, dann mache
ich Milchtee und Ugali für die Kinder und Uga-
li und einen Becher Milch für die Hirten. Der
Hirte ist hier die wichtigste Person – ohne ihn
gibt es keine Milch. Wenn er mit der Herde
hinausgezogen ist, esse ich Ugali, falls noch
etwas davon da ist, und nehme selbst einen
Becher Milch.« In Dürrejahren ist sie froh, von
FRÜHSTÜCK UND ABENDESSEN
Ugali (dicker Maisbrei), 395 g (nur die Hälfte abgebildet)
s
Banane, 95 g
s
Schwarztee (2), 360 ml, mit Vollmilch, 60 ml, und Zucker, 2 EL
s
Wasser aus einem
Speicher, abgekocht, 2 l
KALORIEN
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Noolkisaruni Tarakuai
Die Hirtin
KENIA
EINE TAGESRATION
IM JANUAR